Politik-Blog
In den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kokettierten Paul Hörbiger und Maria Andergast in dem Schlager "Stell' dir vor, es geht das Licht aus" mit der Vorstellung, was sich so zu zweit allein im Dunkeln anstellen ließe. Heute beschert die Vorstellung eines unvorhergesehenen Stromausfall Energieversorgern und Sicherheitsexperten auch schlaflose Nächte, aber keine lustvollen.
Die zunehmenden Schwankungen im Energienetz, dessen Frequenz immer dicht bei 50 Hertz liegen muss, sind seit langem als Problem bekannt. Nur leider waren insbesondere in diesem Jahr eine Zunahme an Sabotageversuchen festzustellen. Und auch Cyberangriffe können für länger anhaltende Stromausfälle sorgen. Wie funktioniert dann noch unser öffentliches Leben? Wie kann die Verwaltung auf kommunaler Ebene noch aktiv sein? Lassen sich Vereine und Verbände für die Bewältigung einer solchen Lage einbinden, damit wir hinterher mit Stolz zurückblicken können: Das haben wir gemeinsam geschafft?
Diese Leitgedanken führten zu einem Entschließungsantrag, den ich im Rahmen einer Großen Anfrage im Mai diesen Jahres eingebracht habe. Es ging um die Einführung eines Übungstags, um sich gemeinsam - Verwaltung und Öffentlichkeit - auf einen solchen Notfall vorzubereiten. Was mich damals freute: er wurde von allen Fraktionen, Gruppierungen und Einzelverordneten einstimmig angenommen. Damit ging er zur Beratung in die Ausschüsse und lag nun der BVV im November zur Abstimmung vor. Nur war leider von der Einstimmigkeit und damals zu spürenden Akzeptanz der Notwendigkeit nichts mehr übrig.
Sowohl CDU als auch AfD scherten in der Ausschussberatung aus. Die CDU aus Gründen, die sie nicht mal in der Debatte in der BVV schlüssig darlegen konnte. Der Verweis auf eine kürzlich abgebrochene Katastrophenschutzübung im Berliner Lichtenberg als Beleg der Undurchführbarkeit für das Bezirksamt Reinickendorf war an Lächerlichkeit schwer zu überbieten. Die AfD schaffte es dennoch. Man muss an der Stelle festhalten, dass es in den letzten drei Jahren keine größeren verbalen Entgleisungen von Reinickendorfern AfD-Verordneten am BVV-Pult gegeben hatte. Die Redebeiträge entsprachen zwar stets der gängigen Programmatik der Partei, spielten aber die Themenbälle selten von rechtsaußen oder mit Verschwörungsflanken ins Feld. Dieses Mal bespielte der Fraktionsvorsitzende die komplette Konspirationsklaviatur - bis hin zur Leugnung des Klimawandels und der absurden Behauptung, Sinn von Resilienzübungen sei es, die Bevölkerung zum stoischen Erdulden zu erziehen. Hoffentlich hatte der Caterer, der uns während der Sitzung mit Essen versorgt, noch genug Alufolie für neue Hüte übrig.
Also wurde am Ende der Antrag "Resilienzstrategie umsetzen - Resilienz-Tag für Reinickendorf" mit Mehrheit der Stimmen von CDU und AfD abgelehnt. Sehr bedauerlich, dass die CDU den Bezirk weiterhin als Museumsinsel regiert.
Immerhin ein Lichtblick am Horizont: in der Antwort auf meine Mündliche Anfrage zu den Bauarbeiten an der Turnhalle der Reneé-Sintenis-Grundschule in Frohnau stellte der zuständige Stadtrat in Aussicht, dass ein Ende der Umbaumaßnahmen Ende des Schuljahres, also im Sommer 2025 erwartbar sei.
Debatte zum Antrag "Resilienzstrategie umsetzen - Resilienz-Tag für Reinickendorf"
Mündliche Anfrage und Beantwortung zur Reneé-Sintenis-Grundschule
Die sich abzeichnenden Sparzwänge des Berliner Senats verstärken bereits auf Bezirksebene das Gerangel um Mittel und Projekte. Dass dabei noch wenig beschlossen ist, sondern vieles als Ideen und Pläne diskutiert wird, macht es nicht besser. So gab es Berichte über Pläne des Senats die Berliner Hochschule für Technik doch nicht auf dem Areal der Urban Tech Republic in Tegel anzusiedeln. Für mich als wirtschaftspolitischer Sprecher Anlass genug, eine Mündliche Anfrage an das Bezirksamt zu stellen, welcher Handlungsbedarf daraus gefolgert wird.
Die Frage und die erhaltene Antwort (Das Bezirksamt verfasste inzwischen eine Presseerklärung, in der sie auf die Ansiedelung insistiert) fielen dabei knapp aus. Vor allem der zu Beginn der Sitzung einberufene Ältestenausschuss zu der Frage, ob die Frage von mir überhaupt gestellt werden darf, nahm mehr Raum ein. Grund für Disput gab ein gleichzeitig als Dringlichkeit eingebrachter Antrag der Fraktion der Grünen zur Urban Tech Republic, woraufhin die Bezirksvorsteherin argumentierte damit sei das Thema bereits auf der Tagesordnung. Am Ende konnte ich die Frage doch stellen.
Neben einer Großen Anfrage mit dem Titel "UN-Kinderrechtskonventionen - Umsetzung im Bezirk gewährleistet?", die unser Stadtrat Alexander Ewers beantwortete, fiel diese BVV durch eine schlanke Tagesordnung auf. Das heißt, der Großteil der abzustimmenden Initiativen waren Überweisungen an Ausschüsse oder standen als Beschlüsse auf der Konsensliste. Da auch größere Debatten zu den aufgerufenen Anträgen ausblieben, hatten wir bereits nach 21 Uhr die Tagesordnung abgearbeitet. Sonst endet die BVV meist um 22 Uhr.
Trotz der erfolgreichen Abarbeitung der Tagesordnung, gab es für unsere Anträge weniger Anlass zum Jubel. Zwei für Frohnau eingebrachte Initiativen wurden einmal vom Bezirksamt mit der Begründung nicht gegebener Zuständigkeit als Kenntnisnahme wieder zurück gespielt.
Drucksache - 0808/XXI: Bänke in Frohnau wieder aufstellen
Das Vorhaben, Fahrradschutzstreifen auf der Frohnauer Brücke einzurichten, um für alle Verkehrsteilnehmer - Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer - ausreichend Platz schaffen, scheiterte wie so oft an der CDU, die bereits in der Ausschussbefassung die Ablehnung des Antrags aufgrund ihrer Mehrheit erreichen konnte.
Drucksache - 1821/XXI: Die Schwächsten auf der Frohnauer Brücke mitdenken
In der Sommerpause erlag der Bezirksverordnete der AfD Hans-Jürgen Fink einem Herzinfarkt. Der Gepflogenheit des Hauses zufolge, fand die nun folgende Sitzung verkürzt statt. Sie endete nach den Einwohneranfragen und den Mündlichen Anfragen. Doch das war nicht die einzige Besonderheit. Als Nachrücker zog der Landesgeschäftsführer der Berliner AfD Marc Bernicke in die BVV Reinickendorf ein. Fand der verstorbene Fink als ehemaliger SPD-Genosse von links seinen Weg in die AfD, zählt Bernicke zum rechten Flügel innerhalb seiner Partei und war zudem Vorstandsmitglied der „Identitären Bewegung Deutschland e.V“. Aufgrund dieser Personalie mobilisierte das „Bündnis Reinickendorf gegen Rechts“ zu einer Demonstration vor dem Rathaus am Tag der BVV.
Da die Befürchtung bestand, die Sitzung könne gestört werden, gab es Polizeischutz – auch im Saal. Immerhin blieb es bei friedlichem Protest vor dem Gebäude, so dass die Beamten nach dem Nachruf der Vorsteherin den Saal wieder verlassen konnten. Mit dem Fortgang der weiteren Tagesordnung kehrte die Sitzung wieder in den gewohnten Betrieb zurück. Ein Glanzlicht war die Ankündigung der Stadträtin Schrod-Thiel zur Senheimer Straße aufgrund erneuter Einwohneranfragen: die Neuplanung zum Umbau der Straße läuft, Baubeginn soll Mitte 2025 starten, statt wie geplant 70 Bäumen, sind jetzt dank neuem Gutachten nur 11 Bäume zu fällen. Ein toller Erfolg der Bürgerinitiative Senheimer Straße. Und ein wichtiges Signal für alle Bürgerinnen und Bürger: Engagement kann Veränderung bewirken. Verwaltung ist zu Änderungen fähig. Es braucht politischen Willen zur Durchsetzung.
Die komplette BVV-Sitzung im Videostream (2 Stunden aufgrund verkürzter Sitzung)
Die Senheimer Straße in Frohnau endet an der neuen Wache der Freiwilligen Feuerwehr. Das Thema Senheimer Straße inklusive Baumfällungen findet dagegen weiterhin kein Ende. Die im Mai gegründete Bürgerinitiative zum Erhalt der Bäume auf der Ostseite der Straße hatte sich beim Treffen am 29. Juni (siehe Blogeintrag dazu weiter unten) darauf verständigt, sich mit Einwohneranfragen über den Sinn und Zweck der Planungen, die auch anders möglich wären, zu erkundigen. Immerhin war es in meiner Zeit als Bezirksverordneter das erste Mal, dass gleich fünf Anfragen zum selben Thema auf der Tagesordnung standen. Das erzeugte natürlich im Vorfeld und während der Sitzung entsprechend Aufmerksamkeit.
Wer sich die Passage der Einwohneranfragen zur Senheimer-Straße anschauen möchte, klickt hier.
Es scheint, dass jetzt einige Teile der CDU aufwachen. Andere verkannten aber immer noch das Ausmaß der Lage. Auf dem Flur erklärte ein Verordneter den fünf Vertretern zum Abschied, bloß weil sie hier zu fünft erscheinen, würden sie noch nicht alle Anwohner vertreten. Ja, das kommt davon, wenn man die Termine zuvor verpennt hat. Am Tag vor der BVV befasste sich der Ausschuss für Stadtentwicklung ebenfalls mit der Senheimer Straße. Auch hier konnte man den CDU-Vertretern in der Debatte beim Aufwachen zusehen. Dabei wurde das Thema in den vergangenen BVV-Sitzungen besprochen, aber offensichtlich als zu vernachlässigen betrachtet. Vielleicht hatte auch der von mir im Ausschuss verwendete Begriff des "Kettensägenmassakers" einen Weckruf erreicht. Immerhin schaffte er es vom Ausschuss in die Fraktionssitzung am nächsten Tag und in die BVV, natürlich in Begleitung schwerster Empörung in den Äußerungen. Aber wer sich an die BVV-Sitzungen seit dem Herbst 2021 bis Februar 2023 erinnert oder hier im Blog noch einmal nachlesen möchte - die CDU war zu dem Zeitpunkt auf Oppositionsbank deutlich ausfallender auf Krawall gebürstet.
Allen Beteiligten war klar, dass diese BVV-Sitzung keine neuen Lösungen zur Senheimer Straße bringen wird. Für den nächsten Tag lud der Bürgerverein Frohnau Bürgerinitiative und Bezirksamt zum Dialog über die Bauplanungen ein. Hier gab es zwar auch keine Festlegung auf einen alternativen Ansatz, aber sowohl die Stadträtin als auch der Leiter des Grünflächenamts lenkten bereits zu Beginn der Veranstaltung ein, das Bezirksamt sei für Vorschläge zur Neuplanung offen. Die Frage des Parkraums sei auch nicht das Entscheidende. Damit war es nach dem neu zu erstellenden Gutachten zur Gesundheit der Bäume im Juni das zweite Mal, dass zurückgerudert wurde. Jetzt gilt das gegebene Wort des Grünflächenamtsleiters: "Wir planen neu." Nicht nur für die Bäume und die Bürgerinitiative, sondern auch für das Vertrauen in die Arbeit des Bezirksamts sollte dieses Wort nicht gebrochen werden.
Klar bleibt weiterhin: Sollten die Umplanungen größeren Aufwand mit sich bringen, verzögert sich das gesamte Bauprojekt und hat die Feuerwehr weiterhin keine schnellere Durchfahrt bei Einsätzen. Hier zeigt sich generell ein Problem der Verwaltung: Es gibt keine Update-Funktion für einmal abgestimmte Baupläne. Während in unseren Softwareprogrammen und technischen Geräten ständig Verbesserungen installiert werden können, ohne das System komplett neu aufsetzen zu müssen, kann hier eine Neuplanung schnell "Zurück auf Start" bedeuten.
Damit ist die Route klar, wenn das Bezirksamt das Bauvorhaben mit vollen Segeln angehen will. Es ist diese schmale Passage der niedrigschwelligen Umplanung, bei der die Bäume stehen bleiben können. Sollte man dabei vom Kurs abkommen, drohen der Schiffsbruch an den Klippen "Bauverzögerung durch Neuplanung" oder aber am Riff "Rechtsklage", sollten doch die Bäume gefällt werden müssen. Schiff Ahoi!
Die komplette BVV-Sitzung im Videostream (dieses Mal nur knapp 4 3/4 Stunden)
Eins der besonders schönen Aspekte des Wirtschaftsausschusses sind die Besuche vor Ort bei lokalen Unternehmen. So besuchten wir als Ausschussmitglieder bereits unter anderem MAN, das Strandbad Tegel, Schmitt & Sohn Aufzüge, Vierlande Food Service und Tek Döner - alles Unternehmen in Reinickendorf. Aber auch in der Landwirtschaft steckt Wirtschaft, und Reinickendorf hat mit Lübars ein dörfliches Kleinod mit wunderschönen Wiesenausläufern. Auch wenn die ehemalige Bürgermeisterin Franziska Giffey einst behauptete, Berlin sei nicht Bullerbü - mit Lübars hat Berlin sein Bullerbü. Aber genau da fängt auch das Dilemma an. Denn wo ist es sinnvoll alte Charmidylle zu erhalten und wo haben Innovationen und Modernisierung höheren Stellenwert als der Denkmalschutz?
Historisches Kopfsteinpflaster umrundet die alte Kirche auf dem Dorfanger und lädt den eilenden Autofahrer jenseits der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit zum Tiefflug ein. Platsch, erhält die Fraktionskollegin am Straßenrand ein Schlammmuster auf der Strumpfhose. Seit Jahren warten die Anwohner auf eine Modernisierung der Straße und klagen nach dem Regenguss große Pfützen als stumme Zeugen an. Andererseits wollen die Anwohner aber auch nicht, dass der Verkehr um die Kirche noch mehr zunimmt. Also doch beim Rüttel-Parcours des Kopfsteinpflasters bleiben?
Auch die hier noch bestehende Landwirtschaft hadert mit den neuen Herausforderungen. Man sieht die neuen Trends bei der Automatisierung und Digitalisierung, hat aber zu kleine Flächen, um dieses Potential voll auszuspielen. Bleibt man bei den bisherigen Arbeitsweisen, ist es kaum rentabel. Könnten EU-Fördergelder helfen? Ja, das habe man schon im Blick, meint Axel Gericke, Erster Vorsitzender der Berliner Landwirte. Aber man müsse auch das Ehrgefühl der Landwirte bedenken. Sich von einer Fördermittelabhängigkeit in die nächste zu begeben, sei nicht unbedingt ein Anreiz. Fehlender Anreiz ist ohnehin ein großes Problem für die Zukunft der Landwirtschaft generell. Nur noch Wenige der kommenden Generation finden den umfangreichen Arbeitsalltag und die volle Arbeitswoche lebenserfüllend.
Zwischendurch gab es für uns eine Treckerfahrt durch die Wiesen und vorbei am Reiterhof Kühne-Sironski. Ja, Lübars bietet ein für Berlin einzigartiges Idyll. Der Anspruch es zu schützen, kann nicht sein nichts zu tun.
Frohnau und Bäume gehören seit Beginn zusammen, versteht sich doch der Ortsteil heute noch als Gartenstadt. Der Begriff geht zurück auf das Konzept der Garden City movement der englischen Garden City Association. Das Modell zur Gartenstadt entwarf Ebenezer Howard 1898. Anfang des 20. Jahrhunderts begann die Konjunktur des Konzepts und erreichte rasch Deutschland. Ab 1908 begann ein oberschlesischer Fürst namens Guido Henckel von Donnersmarck (an den heute noch ein gleichnamiger Platz in Frohnau erinnert) ein entsprechendes Projekt. 1910 wurde die Gartenstadt Frohnau eingeweiht und 1920 in Berlin eingegliedert. Die Bebauungen setzten sich vor allem in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen fort. Soweit die Geschichte in Kurzform.
Was Frohnau aufgrund der damaligen Konzeption heute immer noch ausmacht, ist die großzügige Bepflanzung der Straßen und Wege mit Bäumen, die für viel Grün und angenehme Schattenkühle im Sommer sorgen. Und gerade deswegen sollte in der heutigen Zeit zunehmender Hitze- und Trockenperioden und dem Wissen über den Nutzen der Bäume zur CO2-Reduzierung jede Fällaktion gut überlegt und begründet sein. Aktuell ist sie das bei einem Bauvorhaben des Bezirksamts in der Senheimer Straße leider nicht.
Generell führt das Gefühl von Überrumpelung zu Unverständnis und eskaliert weiter zu Frust, der sich dann in Aktion dagegen umsetzt - diese Kausalkette fand ebenso in der Senheimer Straße statt. Überrascht von der kurzfristigen Ankündigung, es sollen im Herbst fast 70 Bäume auf einer Straßenseite gefällt werden, um die Straße um 50 Zentimeter zu verlegen, damit die Bäume auf der anderen Seite mehr Raum bekommen, sind Unverständnis und Ärger nicht nur bei den Anwohnern, sondern auch in der umliegenden Frohnauer Nachbarschaft groß. Bereits Ende Mai gründete sich als Aktion gegen die Maßnahme eine Bürgerinitiative. Diese lud am 29. Juni zu einer Infoveranstaltung ein, um über das Vorhaben und Alternativvorschläge zu diskutieren. Leider ohne Vertretung des Bezirksamts und leider auch ohne CDU-Fraktion, die einmal die dafür aktuell zuständige Stadträtin stellt, aber auch 2017 das Ressort zu verantworten hatte, als die Pläne erarbeitet wurden.
Was den Frust bei den Bürgern zudem erhöht: es ist nicht der Mangel an Begründungen, sondern deren Vielzahl. Die Bäume müssten laut Aussage der Stadträtin fallen, weil a) krank, b) die Feuerwehrfahrzeuge von der neuen Wache in der Straße behindert werden, c) Leitungen unter den Bäumen darunter erneuert werden müssen. Jedes dieser Argumente für sich allein wäre schlüssig - wenn es denn zutreffen würde. Politik darf nicht unterschätzen, dass die Bürger längst im Informationszeitalter angekommen sind. Mittels Faktencheck und Vernetzung, etabliert sich ein Wissenstransfer, der rasch alle Nebelkerzen durchschauen und widerlegen kann. Dabei ist die Salamitaktik, Informationen nur häppchenweise zu geben, noch fataler. Inzwischen hat das Bezirksamt das Baumgutachten von 2017 und die damaligen Planungen veröffentlicht. Doch die Unterlagen, insbesondere das Gutachten untermauern nicht die Aussagen der Stadträtin, sondern ziehen sie in Zweifel. Damit braut sich nun in der Senheimer Straße ein Sturm zusammen, der weniger den gut verwurzelten Bäumen gefährlich werden wird. Es wäre Zeit für ein Umdenken - sowohl in den Planungen als auch in der Kommunikation - bevor der Schaden größer wird. Die gestern diskutierten Alternativ-Vorschläge waren nicht verkehrt. Es besteht übergreifende Akzeptanz, dass die Straße saniert werden muss. Aber die Lösung sollte gemeinsam erarbeitet werden.
Mein Wohngebiet Frohnau kann sich über eine rege Waldinitiative glücklich schätzen. Ausgehend als Bewegung gegen einen drohenden Einsatz von Holzerntemaschinen, sogenannten Harvestern im Frohnauer Forst, widmet sich die Initiative längst weiteren Anliegen, die über die Frohnauer Waldwege hinaus reichen. Dieses Bürgerengagement begeisterte uns als SPD Frohnau. Ausgehend vom Verständnis, dass der Wald uns alle angeht, kamen wir schnell überein, gemeinsam zu handeln. So luden wir im September 2023 zu einem Frohnauer Gesprächsabend zum Thema „Wie können wir unseren Wald retten?“ ein. Auf dem Podium begrüßten wir damals Dr. Anna Dorothea Scheytt von der Frohnauer Waldinitiative und die Sprecherin für Umwelt und Klimaschutz der SPD Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Linda Vierecke. Am Endes des Abends versprach Linda bald wieder nach Frohnau kommen zu wollen, dann für einen gemeinsamen Waldspaziergang.
Nun folgte am 28.06.2024 die versprochene Folgeveranstaltung. Und da das Credo "Der Wald geht uns alle an" weiterhin gilt, kamen dieses Mal nicht nur Waldinitiative und SPD zusammen. Der Einladung der Waldinitiative folgten neben Linda Vierecke ihr Kollege aus dem Abgeordnetenhaus Danny Freymark von der CDU-Fraktion, der Lübecker Waldexperte Knut Sturm, der Leiter des Forstamt Tegel, Marc Franusch, Lutz Wittich vom Landesforstamt, Dr. Angela von Lührte vom BUND Berlin - und das Beste zum Schluss - auch die Berliner Staatssekretärin für Klimaschutz und Umwelt, Britta Behrendt kam nach Reinickendorf zum Waldspaziergang.
Die Programmgestaltung erfolgte durch die Waldinitiative. Unsere erster Station lag im Waldgelände Frohnau zwischen Poloplatz und Landhaus Hubertus. Wer hier entlang spaziert, möge sein Blick auf den Waldboden neben den Weg richten: hier wachsen eine Vielzahl an jungen Laubbäumen, vor allem Eichen nach, die vermutlich die noch bestehenden Kiefern ablösen könnten. Dieses Areal ist ein Vorzeigebeispiel für eine Renaturierung ohne des Menschen Hand. Wie hier Paul Scheytt als Vertreter der Waldinitiative ausführte, ist dabei auch die Rolle von Eichelhähern als irreguläre Forstamtshelfer nicht zu unterschätzen. Bis zu elf Stunden am Tag sind diese Vögel beschäftigt, Eicheln zu verstecken, aus denen sich viele zu Keimlingen entwickeln können (ausnahmsweise müssen sich hier SPD und Gewerkschaften nicht um den Arbeitnehmerschutz kümmern).
Die zweite Station führte uns nach Heiligensee. Der Waldweg nach der Straße Am Tegelgrund durch die S-Bahnbrücke hindurch folgend, ging es nach wenigen Metern rechts querfeldein. Denn hier stand einmal dichter Wald, der nach einem Holzeinschlag starken Schaden genommen hat. An der Stelle erklärte Knut Sturm anhand eines satellitengestützten Wald-Monitoringssystems, dass aufgrund solcher Datenerhebungen sehr genau festzustellen ist, wann Kippunkte für die Gesundheit des Waldes erreicht sind. Die Daten liefert das europäische Copernicus-Satellitenprogramm. Knut Sturm empfahl daher ein besseres Wald-Management unter Einbeziehung moderner Datenanalyse. Das traf bei Forstamtsvertretern und Politik auf offene Ohren.
Generell stehen wir als Politik und Gesellschaft vor der Aufgabe, für unseren Wald der Zukunft Entscheidungen zu treffen, deren Wirkung wir nicht kurzfristig messen können. Entscheiden wir uns für eine absolute Renaturierung der Wälder, setzen wir allein auf eine "unsichtbare Hand von Mutter Natur", die es schon richten wird, verzichten auf jeden Holzeinschlag und importieren unser Holz aus anderen Ländern der Welt. Spätestens hier zeigt sich ein "not in my backyard"-Haken in der Nachhaltigkeitsbetrachtung. Setzen wir weiterhin auf verträgliche Holzernten, müssen wir über waldschonende Methoden reden, die aber zugleich realistisch hinsichtlich der Kosten für Technik und Personal sind.
Gleiches gilt für die Neupflanzungen. Hier gibt es Konsens zwischen Waldinitiativen und Forstamtsvertretern: Aufgrund der Zunahme an Hitze und Trockenperioden ist es nicht der Weisheit letzter Schluss, mediterrane Baumsorten anzupflanzen. Es zeichnet sich immer mehr ab, dass es eine Zunahme ein extremen Wetterbedingungen geben wird - und dazu gehören dann auch Kälte und hohe Niederschlagsmengen in kurzer Zeit.
Fragt man ChatGPT nach robusten und resilienten Baumsorten für Berliner Klima- und Bodenverhältnisse erhält man als Vorschläge: Traubeneiche (Quercus petraea) und Kiefer (Pinus sylvestris) aufgrund robuster Natur und Anpassungsfähigkeit, aber auch die Hainbuche (Carpinus betulus) und die Winterlinde (Tilia cordata) als Unterstützung für schattigere Bereiche. Mit Eiche und Kiefer stehen damit wieder Grundsorten zur Auswahl, die auch bereits prägend sind. Ist es daher doch sinnvoll auf die Robustheit von Bäumen und ihre Anpassungsfähigkeit zu setzen? Oder geschieht der Klimawandel in einem rasanten Tempo, auf die unsere hölzernen Riesen nur zu langsam reagieren können? Müssten wir dann anfangen über die Züchtung von "Super-Power-Bäumen" nachzudenken?
Nur leider hat die Forstwirtschaft andere Zyklen als die Feldlandwirtschaft, bei der die Fruchtfolge nach einem Jahr geändert werden kann. Daher wird es nicht die EINE Baumsorte sein, die unseren Wald retten wird. Es zeichnete sich gestern auch eine weitere konsensuale Erkenntnis bei allen Beteiligten ab: Der Wald ist mehr als seine Bäume. Er ist ein Ökosystem, das nur aufgrund einer Vielfalt an Wechselbeziehungen funktioniert. Diese zu erkennen, ihnen Raum zu geben und entsprechend zu fördern, scheint die Hauptaufgabe für die Forstwirtschaft aktuell zu sein.
Die von Knut Sturm gezeigte Wald-Monitor-Plattform der Naturwald Akademie ist hier zu finden.
Ein Thema, das bereits in der letzten BVV heiß debattiert wurde und erneut zur Sprache kam, waren die geplanten Baumfällungen in der Senheimer Straße in Frohnau. Inzwischen hat sich eine Bürgerinitiative dagegen gegründet. Nun musste die Stadträtin ein Stück zurück rudern - es soll ein neues Gutachten erstellt werden, ob die Bäume tatsächlich im September fallen müssen.
Bislang ist vor allem die Fraktion der Bündnis90/Die Grünen, die sich hier gegen die Maßnahme und die gesamte Notwendigkeit in Frage stellt. In der Tat: es liegt nicht ein Mangel an Gründen vor, warum die Bäume weichen müssen - es gibt zu viele. Mal sind darunter liegende Leitungen auszutauschen, dann sind die Bäume akut erkrankt oder die Freiwillige Feuerwehr braucht mehr Platz auf der Straße für die Fahrzeuge oder es ist am Ende die Ausführung einer seit Jahren geplanten Umbaumaßnahme, Auch wenn der Begriff Vielfalt inzwischen als textliche Erweiterung der Nationalhymne gehandelt wird - eine Vielfalt an Gründen wirkt wie Beliebigkeit und erzeugt Fragebedarf. Wir bleiben also dran.
Weiterhin war die BVV geprägt von der Großen Anfrage zu "Stand und Perspektiven der Verwaltungsreform - welche Ziele verfolgt der Bezirk?" Dass hier noch großer Handlungsbedarf besteht und die Performance der Verwaltung nicht Berlins beste Visitenkarte ist, dürfte Konsens in der Debatte gewesen sein. Welche Blüten dabei entstehen, konnte exemplarisch an einer der Anfrage folgenden Vorlage zur Kenntnisnahme gezeigt werden. Mein Antrag zur Aufstellung von Altglas-Containern in Frohnau kam als Rücklauf vom Bezirksamt wieder in die BVV, Was war zur Kenntnis zu nehmen? Nach zwei Jahren war es nicht gelungen in Absprache mit dem dafür zuständigen Unternehmen einen Standort zu finden. Zwar wurden Standort gegenseitig vorgeschlagen, die aber alle als nicht geeignet erachtet wurden. Welche Stellplätze das waren und welche Gründe dagegen sprachen? Das war dem Schreiben nicht zu entnehmen. Zwei Jahr Prüfung für nichts. Und wir reden hier nicht von einer High-Tech-Angelegenheit. Entsprechend war ich in meinem Redebeitrag etwas ungehalten. Aber auch hier bleibe ich dran. Alle offen gebliebenen Auskünfte des Bezirksamt werden jetzt über eine Kleine Anfrage eingeholt, um daraus neuen Spielraum für eine Aufstellung zu erhalten.
Ebenfalls im Rücklauf als Vorlage zur Kenntnis und damit leider als erledigt auf Eis gelegt:
Zweitzugang am S-Bahnhof Frohnau
Einsatz von KI für die Verwaltungsdigitalisierung
Immerhin positiv beschlossen: mein Antrag "Lärmschutz für Anwohner an Bahnstrecke Frohnau".
Die komplette BVV-Sitzung im Video-Stream (dieses Mal 4 3/4 Stunden)
Mein persönliches Highlight der Sitzung war ganz klar der einstimmig angenommene Entschließungsantrag, das Bezirksamt möge einen Resilienz-Tag etablieren. Ziel ist es dabei, einmal im Jahr mit Vereinen und interessierter Öffentlichkeit Notfall- und Katastrophenschutzübungen durchzuführen. Der Antrag bildete damit das Schlussstück zur eingebrachten Großen Anfrage "Resilienzstrategie in Reinickendorf umsetzen", die dieses Mal von der Bezirksbürgermeisterin beantwortet werden konnte.
Nicht von Erfolg gekrönt war dagegen die Drucksache "Absolutes Halteverbot zum Wohle des ÖPNV an der Einmündung in den Ludolfinger Platz", die noch von meinem Fraktionskollegen Gerald Walk eingebracht worden war. Zwar ist aus meiner Sicht der Handlungsbedarf weiterhin gegeben, wenn auf den Platz einbiegende Busse aufgrund von zu dicht am Kreuzungsbereich parkenden Autos gehindert werden und damit der komplette Verkehr für alle blockiert ist. Hier konnten wir gegen Stimmen der CDU und AfD keine Mehrheit erreichen, auch nicht für eine Rücküberweisung in den Verkehrsausschuss. Mir scheint aber aufgrund von während der Sitzung geführten Gesprächen, dass es durchaus noch Bewegungsraum gibt, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Nur muss dazu ein neuer Antrag eingebracht werden.
Das Thema der Einwohnerfrage "Verlegung des aktuellen Hundegartens auf den Bolzplatz im Steinbergpark" hatte ich bereits im März als Mündliche Anfrage eingebracht. Die Sache scheint längst nicht erledigt zu sein. Die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürgern erreichte mich auch über andere Kanäle. Im Nachgang der BVV-Sitzung ergab sich noch eine Korrespondenz sowie ein Termin mit der Bürgerin, die dazu die Einwohneranfrage stellte, zu einem Vor-Ort-Treffen in den nächsten Tagen. Mehr dazu demnächst im folgenden Blog-Eintrag "Who let the dogs out"....
Ein weiteres Bürgeranliegen, das ich mit in die Sitzung einbringen konnte, betrifft den "Abbau der Ruhebänke am Wald-Ufer des Tegeler Sees". Aufgrund der Zuständigkeit des Senats für die Waldgebiete, konnte das Bezirksamt natürlich nur wenig Aussagen treffen. Aber jetzt können wir einen Gang höher schalten und über das Abgeordnetenhaus die Dinge weiter bewegen.
Weitere eingebrachte Drucksachen waren die beiden Ersuchen "Parkzonen in Frohnau wieder etablieren" sowie "Die Schwächsten auf der Frohnauer Brücke mitdenken". Bei letzterer Initiative geht es um Fahrradschutzstreifen. Beide Anträge haben ihre erste Runde in der BVV absolviert und gehen jetzt in die Ausschüsse zur Beratung.
Die komplette BVV-Sitzung im Videostream (dieses Mal nur knapp 4 1/2 Stunden)
In der Sitzung nahmen erneut zwei Große Anfragen viel Zeit in Anspruch. Huch - so fing ja schon der Text zur letzten Sitzung an. Doch ähnlich identisch war es. Und dieses Mal blieb am Ende noch weniger Zeit, um Drucksachen zu beraten. Nur ein einziger Antrag konnte debattiert und abgestimmt werden.
Bei dieser Drucksache ging es um das von uns angeregte Parkraummanagement für Reinickendorf-Ost. Diese gab am Ende einer bis dahin eher unscheinbaren CDU-Fraktion die Gelegenheit, es noch mal krachen zu lassen. Weniger mit inhaltlicher Raffinesse, sondern mit verbaler Entgleisung. Das muss hier aber nicht noch einmal reproduziert werden.
Die beiden Großen Anfragen widmeten sich den Kita- und Tagespflegeplätzen in Reinickendorf sowie dem
Förderprogramm Aktive Zentren. Dazwischen wäre zwar die von mir eingebrachte Anfrage
Resilienzstrategie in Reinickendorf umsetzen an der Reihe gewesen. Aber diese wird nun im Mai von der Bezirksbürgermeisterin beantwortet werden.
Auf der Konsensliste der 30. BVV befand sich auch mein Antrag Einsatz von KI für die Verwaltungsdigitalisierung, der nach entsprechender Beratung in den Ausschüssen nun positiv beschlossen wurde. Der im März von mir eingebrachte Antrag für Bessere Luft mit City Trees erhielt seine Überweisung in die entsprechenden Ausschüsse: mitberatend in den Ausschuss für Ordnung, Umwelt, Grünflächen und Natur sowie federführend in den Ausschuss für Haushalt, Gender Budgeting, Personal und Liegenschaften.
Die komplette BVV-Sitzung im Videostream (knapp über 5 Stunden)
In der Sitzung nahmen erneut zwei Große Anfragen viel Zeit in Anspruch. Zum Thema Kita- und Tagespflegeplätze in Reinickendorf war unser für Jugend und Familie zuständiger Stadtrat Alexander Ewers gefragt. Dieser musste sich jedoch krankheitsbedingt von seiner Amtskollegin Korinna Stephan (Bündnis 90 / Die Grünen) vertreten lassen.
Die Debatte verlief zunächst unspektakulär. Bis die CDU in die Bütt stieg und ihre Projektidee des Kita-Gipfels aus der Mottenkiste holte, ein Fetisch ihrer Fraktion seit langem. Während es landauf, landab für ergebnislose Gesprächsrunden heißt "Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen Arbeitskreis", verspricht sich die CDU davon eine Lösung aller Kita-Probleme. Stellt dann aber nicht mal die dafür notwendigen Mittel in die Haushaltsplanung und wirft dann dem Stadtrat vor, er habe dieses Anliegen ja gar nicht auf der Agenda. Entsprechend war die Argumentation bizarr, die auch immer wieder das Motiv der ausgestreckten Hand betonte. Am Ende ist aber so: entweder ist diese Hand der CDU leer oder sie versucht Initiativen abzugreifen.
Das zeigte sich auch bei meinem Antrag für einen Zweitzugang zum S-Bahnhof Frohnau. Dazu gab es zwar ursprünglich eine Initiative der CDU. Dieser scheiterte jedoch an der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz. Diese sprach dem Ansatz der CDU die Wirtschaftlichkeit ab. Geplant war nämlich, die Zugänge am Ende des Bahnsteigs an der Burgfrauenstraße und am Kasinoweg zu errichten. Da sind jedoch keinerlei Geschäfte. Zudem sorgt es bei den Anwohnern am Kasinoweg für Unmut und Ratlosigkeit, da in ihrer Straße kein Platz für Fahrradstellplätze wäre.
Der Ansatz meiner Initiative ist es aber mehr in der Mitte des Bahnsteigs einen Zugang nach rechts und links zu errichten. Dann gäbe es einmal einen Aufgang beim Edeka-Parkplatz beim Zeltinger Platz und einen auf der anderen Seite, der dann als Weg zwischen Fahrradladen und Eisladen zur Welfenallee entlang führt. Obwohl die CDU anfangs dem Vorhaben aufgeschlossen war, stellte sie nun klar: einen Zugang gäbe es nur mit ihrem Antrag, der wieder auf das Ende des Bahnsteigs abzielt. In völliger Ignoranz gegenüber dem Anwohnerinteresse und der bereits erfahrenen Ablehnung auf Senatsebene. An der Stelle sei an das Einstein-Zitat erinnert "Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten." Wer sich die Debatte anschauen möchte, klickt hier.
Am Ende ließen wir über den Antrag abstimmen, und die CDU erlitt als einzige Fraktion, die auf Ablehnung votierte, eine Niederlage. Im Umkehrschluss bedeutete das, dass die Mehrheit sich neben unserer Fraktion aus Bündnis 90/Grüne, AfD, der FDP-Gruppe sowie den beiden Einzelverordneten der Linken zusammensetzte. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse in Reinickendorf (Mehrheit liegt bei 28 Stimmen, die CDU stellt plus der einer ehemaligen Fraktionslosen der AfD allein 26 Stimmen. Das heißt, es ist mathematisch möglich, jede Fraktion, Gruppierungen sowie Einzelverordnete in Summe als Zünglein an der Waage zu interpretieren.
Daher an der Stelle folgende Feststellungen: 1. Es gibt keine Zusammenarbeit meiner Fraktion mit der AfD und keine Absprachen zum Abstimmverhalten. 2. Die CDU unterliegt immer, wenn sie als Fraktion allein für oder gegen einen Antrag stimmt. 3. Die CDU hat mehrfach zahlreiche Initiativen, insbesondere von den Grünen zu ökologischen Verkehrsanliegen, nur und allein mit der AfD als Mehrheit ablehnen können. Auf das Spiel, dass immer nur dann, wenn sich die CDU als einzige Fraktion einem unserer Anträge verweigert, in der Konsequenz das Abstimmungsverhalten problematisiert wird, lasse ich mich nicht ein.
Die komplette BVV-Sitzung im Videostream (knapp über 5 Stunden)
Ausgerechnet am Valentinstag fand in diesem Jahr die Februarsitzung statt. Viel Love war zwar nicht in the Air, aber immerhin gab es auch keinen Rosenkrieg. Die BVV beschloss in einer ersten Runde für das Jahr zur Verfügung stehende Sondermittel für fünf Einrichtungen:
Geprägt war die Sitzung zudem durch eine Große Anfrage zum Thema Unterbringung und Wohnsituation Geflüchteter in Reinickendorf. Die zweite dazugehörige Große Anfrage "Integration Geflüchteter und Umsetzung der Schulpflicht" konnte nicht mehr aufgerufen werden. Sie wird auf der nächsten Sitzung im März behandelt werden müssen. Weitere Große Anfrage (allein zwei Stück zu Kita-Plätzen) stehen zudem in der Warteschlange. Die von mir eingebrachte Große Anfrage zur Umsetzung der Resilienz-Strategie der Bundesregierung, die danach folgt, könnte daher erst als Frühlingserwachen im Mai an der Reihe sein.
Es ist Chronistenpflicht über die 27. Bezirksverordnetensitzung zu berichten. Inhaltlich bot sie statt ambitioniertem Neujahrsschwung eher Katerstimmung. Größter Aufreger in der Sitzung war die kontroverse Diskussion über einen Antrag der Grünen. Darin wurde das Bezirksamt ersucht "einen Leitfaden zur Vorgartengestaltung zu erarbeiten, um z.B. über insekten- und klimafeindliche Schottergärten aufzuklären und über adäquate Alternativen und geltendes Baurecht zu informieren." So der Wortlaut im Original.
Man muss dem CDU-Fraktionsvorsitzenden schon fast dankbar für die Blöße sein, hier ins Narrativ des "Die Grünen bevormunden uns überall!!!EiNS!!ELF!" eingestiegen zu sein. So ein Leitfaden könne ja rasch zum Verbotshammer werden, so die Argumentation. Ja, der Weg zur Hölle ist nicht nur mit guten Vorsätzen gepflastert, sondern nun auch mit Leitfäden. Oder in Bezug auf die Vorgärten wahrscheinlich geschottert. Immerhin brachte der Beitrag Leben in die Bude, für den Antrag jedoch leider keine Mehrheit.
Ansonsten seien hier noch zwei von mir eingebrachte Drucksachen erwähnt, die bereits bei der 26. Sitzung mit positivem Votum in die Ausschüsse überwiesen wurden:
1545/XXI Kita-Zugang zu behindertengerechten Sanitäranlagen
1547/XXI Einsatz von KI für die Verwaltungsdigitalisierung
Der erste Antrag entstand auf Anregung von Erzieherinnen unseres Kindergartens. Es geht um die Möglichkeit, dass vor allem die Kinder an einigen Spielplätzen dort vorhandene behindertengerechte Toiletten mitnutzen können. Dafür gibt es spezielle Schlüssel, die an das Kindergartenpersonal ausgehändigt werden müssten.
Der zweite Antrag zum KI-Einsatz in der Verwaltung erhielt bereits im Ausschuss für Bürgerdienste, Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung am 18. Januar einen positiven Beschluss. Wenn er nun im federführenden Ausschuss für Haushalt, Gender Budgeting, Personal und Liegenschaften ebenfalls Zustimmung bekommt, dürfte seiner finalen Annahme in der BVV nichts im Wege stehen. Die schwerste Hürde hatte der Antrag bereits in der eigenen Fraktion zu nehmen gehabt. Das Thema KI trifft auf Berührungsängste, die ohne Zweifel ihre Daseinsberechtigung haben. Nur ist die Angst kein guter Ratgeber. Und mit dem Mittel der Aufklärung haben wir seit Jahrhunderten ein probates Mittel dagegen. Das sollten wir insbesondere beim Thema KI wiederum nicht völlig aus der Hand geben.
Aufgrund eines Todesfalls fand die Sitzung verkürzt statt. Unser Fraktionskollege und mir persönlich nahestehender Mitstreiter Gerald Walk erlag schließlich doch seinem Krebsleiden. Nachdem es in den vergangenen Monaten wieder aufwärts mit ihm zu gehen schien, kam nun die Nachricht seines Todes überraschend.
Gerald Walk gehörte der Reinickendorfer Bezirksverordnetenversammlung seit 2016 an. Als Oberschulrat und langjähriger leitender Mitarbeiter der Senatsbildungsverwaltung brachte er insbesondere in den Schulausschuss außergewöhnliche Fachkunde mit ein. Aber auch bei anderen Themen scheute er nie die Debatte und brachte zudem viele Initiativen in die BVV ein.
Gerald trat in die SPD 1985 ein. Er war in seiner Parteilaufbahn unter anderem im geschäftsführenden Kreisvorstand und im Fraktionsvorstand für die BVV Reinickendorf tätig. Seine großen Taten in der Politik sind aber weniger an den Posten abzulesen, die er bekleidete. Diese waren für ihn Ausgangsstellungen, um von dort aus zu managen. Darin lag eines seiner vielen Talente. Wenn Andere heutzutage zum Klempner der Macht ernannt werden, dann war er ein Architekt der Macht: Es ging ihm weniger um das eigene Vorankommen, sondern darum, die Leute an die richtige Stelle zu bringen, um in seinem Umfeld ein stabiles Gefüge zu errichten, um darauf Größeres anzustreben.
Was ihn ebenfalls auszeichnete, war seine Streitbarkeit. Gerald Walk stand für das offene Wort und für Durchsetzungsfähigkeit. Die Dinge musste angesprochen werden, und durften nicht unter den Teppich gekehrt werden. Damit konnte er dem politischen Gegner oft das Leben schwer machen, nicht nur außerhalb der eigenen Reihen. Doch gleichwohl: es brachte ihm den Ruf eines geschätzten und respektierten Kollegen über die Grenzen aller Fraktionen und Gruppierungen ein.
Gerald Walk erhielt recht früh in diesem Jahr die schwere Krebs-Diagnose. Diese Nachricht warf den sonst kampflustigen Genossen aus der Bahn. Aber nur kurz. Die Behandlung im Sommer brachte ihn wieder auf den Weg der Besserung. Im Herbst schien es für alle, er sei wieder der Alte. Um so überraschender kam nun die Nachricht seines Todes. Sein bis dahin an den Tag gelegter enormer Lebenswille war außergewöhnlich. Fast bis zum letzten Atemzug nahm Gerald Walk an den Sitzungen im Rathaus teil.
Er wird für uns unvergessen bleiben.
Die komplette BVV-Sitzung im Videostream (2 Stunden und 20 Minuten)
Er wird uns fehlen.
Nach der strittigen Haushaltsdebatte im September und dem straffen Enthaltungskurs der Grünen bei Drucksachen bei zu befürchtender AfD-Beteiligung im Oktober stand die BVV im Zeichen des Wiederzueinanderfindens.
So fanden die Grünen wieder zurück aus dem selbst auferlegten Passiv (siehe dazu den vorhergehenden Blog-Eintrag). Die CDU feierte sich zwar wie eh und je für ihre ach so großartige Arbeit, zeigte sich aber wieder kompromissbereiter. Beispiel dafür war die von meinem Fraktionskollegen Sascha Rudloff und mir eingebrachte Drucksache 0993/XXI „Verkehrssicherheit in der Waldstraße“. Hier soll in der Waldstraße, zwischen der Ausfahrt des Discounters Lidl (Waldstraße 14-21) und der Ausfahrt der Firma August Storck ein absolutes Halteverbot angeordnet werden, damit der Lieferverkehr von Stork und auch deren Mitarbeiter sicherer auf die Fahrbahn gelangen können. Aufgrund neuer Baumaßnahmen, die bei der Antragseinbringung (anno 2022) noch nicht anstanden, plädierte die CDU auf Ablehnung. Damit stand die Drucksache kurz vorm Scheitern, also beantragte ich die Rücküberweisung in den dafür zuständigen Verkehrsausschuss. Dem schloss sich die CDU an; na geht doch.
Auch die von mir angebrachte Große Anfrage 1492/XXI zu den Fortschritten bei der Umsetzung des Reinickendorfer Klimaschutzkonzepts fand anerkennende Worte aufgrund der Initiative statt Konfrontation. Auch der dazu gehörende Ersuchen „Umsetzungserfolge des Klimaschutzkonzepts besser auswerten“ (1491/XXI), das ich einbrachte, fand erste Zustimmung mit einer Überweisung in die dafür zuständigen Ausschüsse.
Weiterer Anlass, um ans Pult zu gehen, war eine Mündliche Anfrage zu den Reparaturarbeiten an der Pergola am Zeltinger Platz in Frohnau. Diese beginnen nun doch erst 2024. Immerhin zum 115. Jubiläum der Gartenstadt, also im Jahr 2025, so die Zuversicht der Stadträtin, soll die Pergola vollständig instand gesetzt sein.
Ansonsten von mir als Drucksache eingebracht und in die entsprechenden Ausschüsse überwiesen, war die Empfehlung „Lärmschutz für Anwohner an Bahnstrecke Frohnau“ (1490/XXI). So schön die höhere S-Bahntaktung für die Anbindung Frohnaus ist - für die umliegenden Anwohner verdoppelt sich damit das Lärmaufkommen.
Die komplette BVV-Sitzung im Videostream (5 Stunden und 6 Minuten)
Schrieb ich im vergangenen Blog von einer belanglosen Luftpumpe in Bezug auf das Abstimmungsverhalten zum Haushalt? Das traf nicht für unsere einstigen Zählgemeinschaftspartner der Partei Bündnis 90/Die Grünen zu. Die Tatsache, dass sich bei einigen wenigen Abstimmungen zur Nachschiebeliste eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD ergab, sorgte bei den Parteigremien der Grünen für große Aufregung.
Es wirkte wie ein Gang nach Canossa, als der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Hinrich Westerkamp zu Beginn der BVV zum Rednerpult schritt, um eine Erklärung nach § 38 der Geschäftsordnung abzugeben. Darin erläuterte er noch einmal die allseits bekannte Haltung seiner Partei zur AfD und gab als Leitlinie bekannt, dass seine Fraktion nur Mehrheiten ohne die AfD bilden werde. Da aber oft nicht im Vorfeld erkennbar ist, wie sich die AfD im Augenblick des Händehebens verhält, wird dieser Ungewissheit nun durch die Methode kompletter Enthaltung begegnet. Die Konsequenz daraus: Selbst die eigenen Anträge der Grünen, auch noch offene Drucksachen aus unserer gemeinsamen Zeit als Zählgemeinschaft, bekommen keine Ja-Stimmen mehr aus der Fraktion der Grünen, wenn die AfD ihre Zustimmung zuvor nicht explizit ausgeschlossen hat.
Hinsichtlich der politischen Hygiene sind die Grünen damit auf der sicheren Seite. Es besteht keinerlei Gefahr mehr, bei einer Abstimmung Stimmen vom falschen Lager zu erhalten. Hinsichtlich der politischen Handlungsfähigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten ist es aber Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Und man konnte in den gequälten Gesichtern der Fraktionsmitglieder sehen, dass die Enthaltung bei abzustimmenden Anliegen, die man zuvor selbst eingebracht hat, äußerst schmerzhaft ist. Wahrscheinlich zu schmerzhaft, um diesen Modus Operandi langfristig durchhalten zu können. Spätestens im Hinblick auf die nächstanstehende Wahl wird die Frage zu beantworten sein, welche Wählerinnen und Wähler sich von einer Partei vertreten fühlen, die ihre eigenen Initiativen lieber scheitern lässt und als einzigen Erfolg vorweisen kann, man habe wenigstens keiner Mehrheit Stimmen gegeben, bei der die AfD identisch votiert hat oder hätte können.
Damit dürfte eine zweite Runde der Richtungsbestimmung innerhalb der Berliner Grünen zu erwarten sein, die entlang einer Leitdifferenz der aktuellen politischen Lage verläuft: die Grenze zwischen Politik und Aktivismus. Politik ist dabei das oft pragmatisch organisierte Geschäft für Kompromisse, wobei Widersprüche und Konfliktspannungen auszuhalten sind; immer mit Blick auf Stimmen, die eine Mehrheiten sichern. Der Aktivismus dagegen ist zwar durchaus eher an der Sache orientiert als an der Organisation der Mehrheit, wodurch er oft als sauberer erscheint, weil er nicht auf die „schmutzigen Deals“ der Politik setzt. Darin liegt aber zugleich die Achillesferse des Aktivismus: die moralische Überhöhung der eigenen Position.
„Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.“ Auch nach über 2.000 Jahren Sprachgebrauch ist das Sprichwort von Ovid für den privaten Bereich nicht verkehrt. Für die Politik hat es aber hier eine ganz andere Richtigkeit hinsichtlich seiner Aussage: Die Entscheidung zur Enthaltung, um ein reines Gewissen zu behalten, ist ein Rückzug aus dem politischen Betrieb auf das Ruhekissen. Politik muss immer handlungsfähig bleiben.
Die komplette Sitzung als Stream (5 Stunden & 01 Minute).
Haushalt macht sich nicht von allein. Haushalt ist gehobenes Management. Nicht nur daheim, sondern auch in der Politik. Da hilft kein hektisches Wedeln, da ist gute Planung und Vorbereitung unerlässlich, bevor alles zu Bruch geht.
Umso bedauerlicher, dass die CDU schlecht organisiert in die Vorbereitungen der Haushaltsdebatte ging. Die Lesungen vorab waren in keiner Weise darauf ausgelegt, eine breite Zustimmung bei den anderen Fraktionen und Gruppierungen zu erreichen. Es hatte den Eindruck, dass es erst kurz vor der Haushalts-BVV dem CDU-Fraktionsvorsitzenden dämmerte, dass er keine Mehrheit haben würde.
So ergab es sich am Ende, dass unsere Fraktion mit der CDU wenige Tage vor der Sitzung eine Einigung fand, damit mit unseren Stimmen die CDU eine Mehrheit für den Doppelhaushalt 2024/25 hatte. Doch wer denkt, dass mit einer einmaligen Abstimmung jegliche Ausgaben final zugeschnürt sind, hat schlicht keine Ahnung. Natürlich gibt es Nachschiebelisten- Anträge anderer Fraktionen über weitere Ausgaben oder auch Einsparungen. Waren diese Liste Bestandteil der Einigung mit der CDU? Waren sie nicht. Gab es ein zusätzliches Angebot von uns an die CDU, darüber einig zu werden? Ja, das gab es. Reagierte der für die Fraktion verhandelnde Vorsitzende? Nein, das tat er nicht.
Also stimmten wir dem Gesamthaushalt zu. Wir entschieden uns aber bei den Anträgen der Nachschiebeliste dafür, die Initiativen anderer Fraktionen zu befürworten, die wir zuvor als fachlich richtig und für Reinickendorf zielführend bewerten konnten. War der CDU-Vorsitzende darüber erfreut? Nein, das war er nicht.
Und so erlebten wir ihn und seine Clickbait-Gang in den Tagen nach der Sitzung wieder auf dem Social-Media-Kriegspfad. Das dabei aufgefahrene schwere Sturmgeschütz: Bei einigen Abstimmungen zu Drucksachen, die entweder von den Grünen oder der FDP eingebracht worden waren, stimmten nicht nur die Grünen und die FDP sowie unsere Fraktion zu. Auch die fünf Fraktionäre der AfD stimmten mit zu – gegen das Minderheitsvotum der CDU, die damit unterlag.
Gleichwohl: Der überwiegende Teil der Nachschiebeliste fand gar keinen positiven Beschluss, weil die CDU mit der AfD als Mehrheit ablehnte. Beide Mehrheitsverhältnisse fanden also statt. Das macht das schwere Sturmgeschütz zur belanglosen Luftpumpe. Wer ist aber derjenige, der jetzt am lautesten Skandal schreit? Derjenige, der seinen Haushalt nicht ordentlich vorbereitet hat. Haushalt ist gehobenes Management.
Die komplette Sitzung als Stream (5 Stunden & 36 Minuten).
Die letzte Sitzung vor der Sommerpause bot gewohnte Kost. Die üblichen Einwohnerfragen widmeten sich Baumaßnahmen und Verkehrsprojekten, aber auch der Tierhaltung bei Verarmungen. Einen ersten Schlagabtausch lieferten sich die Fraktionen und Einzelverordneten in der Einwohnerfragerunde bereits beim gestoppten Radwegbau in der Ollenhauer Straße. Das war angesichts der Brisanz des gesamten Vorgangs auch so zu erwarten.
Die Mündlichen Anfragen der Bezirksverordneten boten Gelegenheit für eine zweite Runde über den aktuell bekanntesten Radweg Deutschlands, auf dem nur leider keine Fahrräder fahren. Bei den jeweiligen Antworten auf die immer wieder gestellte Frage, warum die Freigabe des fertigen Radwegs gestoppt oder ausgesetzt wurde, zeigte sich die zuständige Stadträtin der CDU keineswegs geizig. Die aufmerksame Zuhörerschaft konnte wählen zwischen: 1a) einem Stopp des Bezirksamts aufgrund von Bedenken, 1b) hier wahlweise aber auch aufgrund von noch zu erfolgenden Demarkierungen und Markierungen oder aber 2) aufgrund einer Vorgabe des Senats, die zeitlich mit 1a) oder 1b) oder irgendwie so zusammenfiel.
Hier wollte die CDU-Fraktion ihrer Stadträtin nicht nachstehen und warf zusätzlich den Mangel an Anwohnerbeteiligung ein, der den Anlass zum Stopp gegeben hätte. Auf den Aspekt ging die Stadträtin zwar nicht ein, und inwiefern damit ein Verstoß gegen Regularien vorlag, wurde auch nicht ausgeführt. Aber das war vielleicht auch besser so, denn sonst hätte der CDU-Fraktionsvorsitzende nicht wieder in völliger Faktenfreiheit einen „Skandal“ ausrufen können.
Gerade weil die CDU bei den Antworten zum Radwegstopp so viel Mut zur Vielfalt an den Tag legte, zeigte sie sich später wieder vorsichtiger. Bei der Beschlussempfehlung zur Umbenennung der Walderseestraße enthielt sich die Fraktion der Stimme. Bei einem Nein hätte die CDU allerdings mit der AfD gegen die Umbenennung gestimmt, was sicherlich auch den Ausschlag für das Stimmverhalten gegeben haben dürfte.
Die Sitzung war zudem geprägt durch zwei Große Anfragen, die wir als Fraktion bereits vor geraumer Zeit eingebracht hatten und die jetzt endlich von der Halde liegengebliebener Drucksachen weggearbeitet werden konnten. Thema war einmal der Kinder- und Jugendschutz in Reinickendorf – hier hatte unser Stadtrat Alexander Ewers die Möglichkeit zu brillieren. Und es ging in der zweiten Anfrage um den Aktionsplan Sauberes Reinickendorf. Hier musste die für das Ordnungsamt zuständige Stadträtin der CDU in die Bütt.
Eingebracht hatte die Große Anfrage zum Thema Müllentsorgung einst Gerald Walk, der seit Wochen leider schwer erkrankt ist. Es war hier ein großer Moment der Kollegialität, als die gesamte BVV Genesungsgrüße mit großem Applaus auf den Weg brachte. Hoffen wir, dass es wieder besser wird.
Das Video zur Sitzung gibt es dieses Mal als Trilogie. Der Live-Stream brach wieder ab und musste zweimal neu gestartet werden: Teil 1, Teil 2, Teil 3.
Die konstituierenden Wahlen liegen hinter uns, die Ausschüsse haben sich wieder gebildet, es lag nichts Besonders an vordergründiger Brisanz in der Tagesordnung – und doch ging dieses BVV als eine Besonderheit in die Geschichte ein. Gefühlt war sie für die Verordneten eine einzige Unterbrechung als eine ordentliche Sitzung.
Wie kam es dazu? Zweimal musste die Sitzung unterbrochen werden, weil der Ältestenrat einberufen wurde. Das ist das Gremium der Fraktionsspitzen und Einzelvorsitzenden, um schwerwiegende Streitigkeiten zu klären. Jeder Anlass für sich einzeln betrachtet, hat eine natürlich seine eigene Historie. Gemeinsam ist ihnen aber, dass sie wieder die Eigenmächtigkeit der CDU-Fraktion und der CDU-Bezirksamtsvertreter vor Augen führten.
Anlass Nummer 1: In der Einwohnerfragestunde lag der befragten Stadträtin die Information vor, dass die fragende Bürgerin zuvor Opfer eines körperlichen Angriffs wurde. Auch die Bürgermeisterin wusste davon. Beide warteten daher an dem Tag mit tröstenden Worten bzw. sogar einem Geschenk auf. Das ist natürlich ein löbliches Verhalten. Dass Beide es aber nicht für nötig hielten, weder die BVV über das von der CDU geführte BVV-Büro noch ihre Amtskollegen im Bezirksamt zu informieren, ist dagegen nicht nur unrühmlich, sondern auch eine Missachtung der BVV. Also berief unsere Fraktion den Ältestensrat ein, um diesen Punkt zu klären.
Anlass Nummer 2: Gerade einmal drei (plus eine vorgezogene) Mündliche Anfragen konnten an das Bezirksamt gestellt werden. Dann war die dafür vorgesehene Stunde vorbei. Zwei Stadträte der CDU entdeckten hier das Filibuster-Prinzip, das aus der amerikanischen Politik bekannt ist – die maßlose Ausdehnung der Redezeit, um unliebsame Debatten oder Anträge der Tagesordnung zu verhindern. Nach bisheriger Informationslage war es eine Anfrage der fraktionslosen Verordneten Kai Bartosch. Darin ging es um die bereits markierten, aber noch nicht freigegebenen Radverkehrsanlagen auf der Ollenhauerstraße. Offenbar lag hier ein wunder Punkt für die CDU vor, dem die Fraktion und Stadträte Hand in Hand mit Verzögerungstaktik begegneten. Auch hier musste der Ältestenrat zusammentreten, um darüber zu entscheiden, ob nicht doch noch weitere Anfragen zugelassen werden können nachdem die dafür vorgesehene Stunde aufgebracht war.
Eigenmächtigkeit war auch bei den Investitionsplanungen zu erkennen, deren Beschluss die CDU forcierte. Dabei fehlte bislang eine Stellungnahme des Rechnungshofs für das immerhin 5,5 Millionen Euro umfassende Maßnahmenpaket. Daher gab es das Plädoyer für Vertagung bei den Fraktionen und Gruppen – außer CDU und AfD, die mit einer Mehrheit die Planung beschlossen. Und da war es wieder, das alte Leid der Reinickendorfer der CDU wie vor der Wahl 2021: ohne Rücksicht und Einbindung der anderen Parteien und wenn erforderlich gemeinsam mit der AfD. Man darf gespannt sein, ob die CDU den gesamten Haushalt ebenfalls in dieser Konstellation über die Bühne bringen möchte.
Für mich bot sich zumindest die Gelegenheit meine Mündliche Anfrage von der Position neun auf Position drei eingliedern zu lassen, da es sich um das gleiche Thema handelte: die Parkscheibenregelung in Frohnau.
Gemeinsam mit dem Kollegen Jens Augner von den Grünen hatte ich in der BVV eine Mündliche Anfrage eingebracht, warum die Parkzonen in Frohnau wie über Nacht abgeschafft worden sind. Wie sich herausstellte: Eine Entscheidung des Verwaltungsgericht Berlin aufgrund einer Klage.
Wie es jetzt weiter geht, ist dagegen unkonkret geblieben. Ja, Parkzonenregelung oder auch Parkbewirtschaftung ist politischer Wunsch im Bezirksamt - wie und wann ist aber unklar. Auch die Antwort auf die Frage nach der Rechtssicherheit für unsere Nachbarn in Hermsdorf - gleiche Gegebenheiten, nur bislang ohne Klage - klang eher nach "Gedanken und Gebete sind mit euch". Immerhin gab es konkrete Antwort für die Anwohner, die noch Anfang des Jahres eine Ausnahmegenehmigung beantragt haben. Für eine Erstattung bitte wieder an die E-Mailadresse parken-in-frohnau@reinickendorf.berlin.de schreiben mit entsprechenden Angaben (Name, KfZ-Kennzeichen etc.) Wer sich die Anfrage mit den Antworten anschauen möchte, hier ist die Stelle verlinkt.
Die komplette BVV samt Debatten und Unterbrechungen mit über fünf Stunden Dauer findet sich als Video hier.
Welch Segen ist es doch, wenn die Technik dem Menschen dient. Doch welch Fluch, wenn die Technik nicht funktioniert und der Mensch ihr unterworfen ist. Grundsätzlich kann eine Bezirksverordnetenversammlung im Rathaussaal in Anwesenheit der Verordneten und des Bezirksamts stattfinden. Dabei sind auch Plätze für die interessierte Öffentlichkeit vorhanden. Doch die Chance, weitere Teile der Bevölkerung zu erreichen, bietet auch in Reinickendorf längst die Live-Übertragung über den YouTube-Kanal der BVV.
Nur leider versagte der Ton der Aufzeichnung bereits nach wenigen Minuten, nach rund 20 Minuten endete der Stream komplett. Konnte die Sitzung jetzt fortgesetzt werden, nachdem die Technik die Öffentlichkeit ausgeschlossen hatte? Oder war es legitim, die Sitzung ohne Übertragung fortzusetzen? Darüber musste erst einmal Einigkeit zwischen den Fraktionen hergestellt werden.
Kompromisslösung war die Umstellung der Tagungsordnung: Es folgten die Wahlgänge für die Schriftführer im BVV-Vorstand. Die konnten ohne Debatten über die Bühne gehen. Danach funktionierte der Stream wieder, und es waren schon mal zwei Stunden herum als gegen 19 Uhr die mündlichen Anfragen starteten. Nach 19:40 Uhr startete dann erst die Befassung mit den Drucksachen aus den letzten Sitzungen.
Immerhin neun Tagungspunkte konnten beraten und abgestimmt werden sowie eine Große Anfrage diskutiert werden. Hier zeigte sich weiterhin das Problem aus der Phase der Legislaturperiode vor der Wiederholungswahl: Es sind Drucksachen, die vor allem die AfD von der Konsensliste nimmt, sich damit in der BVV profiliert und die Niederlage bei der Abstimmung kassiert. Dagegen werden wir weiter anrudern müssen, wenn wir vorankommen wollen - row, row, row your boat.
Den Link zum Video der 20. BVV gibt es dieses Mal in zwei Teilen. Der erste Teil der Vollständigkeit halber mit den ersten zwanzig Minuten. Der zweite Teil mit den immerhin letzten knapp drei Stunden.
Zweite Sitzung mit den neuen Mehrheitsverhältnissen nach der Wiederholungswahl - und hurra, wir haben endlich den BVV-Vorstand bestätigt oder neu gewählt. Je nachdem, ob der Posten behalten wurde (bspw. Kerstin Köppen von der CDU als BVV-Vorsteherin) oder neu zu besetzen war (bspw. Sevda Boyraci aus unserer Fraktion ist jetzt stellvertretende BVV-Vorsteherin).
Aber vorher war es der CDU ein Anliegen, zuvorderst die Besetzung des Bezirksamts an das Wahlergebnis vom 12. Februar anzupassen. Emine Demirbüken-Wegner war für das Amt des Bezirksbürgermeisters nominiert und wurde ohne große Überraschung von der BVV in geheimer Wahl mit mehr als genügend Stimmen versehen, damit sie in Zukunft dieses Amt ausüben kann. Es folgte der Wahlgang zum stellvertretenden Bezirksbürgermeister, die unser Kandidat Uwe Brockhausen zwar auch ohne große Überraschung für sich entscheiden konnte. Aber was ist das schon für ein Erfolg, wenn man vorher Bezirksbürgermeister war. Uwe nahm es immerhin in der von ihm gewohnten Fassung.
Was etliche der folgenden Wahlgänge auszeichnete: Sie waren so schön, dass sie wiederholt werden mussten. Das lag an falsch ausgedruckten Wahlzetteln. Mal waren sie unkorrekt beschriftet, mal gab es in einer Wahl zwei unterschiedliche Versionen. Aufgrund der zahlreichen Unterbrechungen - weil neue Zettel gedruckt werden mussten oder weil es wieder mal Blumen und Gratulationen nach einer Wahl gab - kamen Debatten und Schlagabtausche definitiv zu kurz. Wer in dieser BVV Schärfe suchte, fand sie höchstens in der Suppe des Caterers Zhou's Fine im Turmzimmer. An der Stelle der Hinweis, dass ein Besuch des chinesischen Restaurants im Ratskeller zu empfehlen ist.
Hier trafen wir uns auch alle noch am späten Abend auf Einladung der neuen Bezirksbürgermeisterin auf einen Empfang. Immerhin ein kurzer wie seltener Augenblick harmonischen Kollegenaustauschs bei alkoholfreiem Bier. In den nächsten Sitzungen wird es sicherlich nicht mehr die Suppe allein sein, von der Schärfe zu erwarten ist.
Die komplette BVV ist hier verlinkt.
Zhou's Fine Sauer-Scharf-Suppe
Egal ob nun Wiederholungswahl oder Neuwahl - eine erste Sitzung mit neuen Mehrheitsverhältnissen bietet Raum, um neue Machtverhältnisse zu verdeutlichen. Sie waren in der Reinickendorfer Bezirksverordnetenversammlung am 16. März drastisch zu erkennen. Die CDU mit ihren 25 Sitzen fehlen lediglich drei Stimmen, um eine Mehrheit mit 28 Mandaten gegenüber insgesamt 55 Sitzen zu erreichen. Und diese Lücke scheint keine große Hürde zu sein. Einmal zeichnete sich eine Unterstützung durch eine Verordnete der AfD ab, die bereits in den letzten Monaten fraktionslos war. Inzwischen gehört sie zwar nach der Wahl der Fraktion der AfD wieder an. Da sie aber bei den meisten Abstimmungen mit der CDU und eben auch gegen die eigene Fraktion stimmte, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis der erneute Austritt verkündet wird.
Die nur noch fehlenden zwei Stimmen liefern die Gruppen der FDP oder Linke (beide jeweils 2 Sitze, gerne auch beide zusammen. Es war skurril, in der BVV ein Spitzentrio von CDU, Linke und FDP in bester Eintracht beieinander hocken zu sehen. Vor allem, wenn man bedenkt, wie die Beziehungen zwischen den Parteien auf Landes- und Bundesebene (CDU und Linke) aussehen oder wie die Abneigung zwischen der FDP und Linke auch in Reinickendorf noch bis vor wenigen Wochen ausgeprägt war.
Es war der beste Beweis, dass die programmatische Ausrichtung von Parteien eben jene Moral ist, die bekanntlich erst nach dem Fressen kommt, also nach der Macht. Denn beide Gruppen, FDP und Linke, kämpfen selbstverständlich um jede sich bietende Möglichkeit, doch wieder in der Ausschussarbeit und der BVV mitzumischen, wie es zuvor als Fraktion möglich war. Die CDU dagegen mit ihrer nun üppigen Ausstattung an Sitzen in der BVV und den Ausschüssen kann einen auf dicke Hose machen. Allein die erhöhte Anzahl an Bürgerdeputierten in den Ausschüssen ist traditionelles Machtkapital. Diese werden gerne gegen vereinbarte Gefälligkeiten zugeschustert.
Daher gab es wenig Wahrscheinlichkeit in der ersten BVV-Sitzung nach der Wahl, dass Initiativen der CDU scheitern könnten. Und vor allem, weil die CDU-Reinickendorf ein deutliches Zeichen setzen wollte, dass nach dem Mehrheitsverlust für die Ampelzählgemeinschaft ein anderer Wind weht, bestand grundsätzlich ein großer Raum für Entfaltungsmöglichkeiten. Aber ach - am Ende blieb nur eine magere Ausbeute für alle Beteiligten. Aufgrund zweier von der CDU forcierten Entscheidungen dauerte die Sitzung nur zwei Stunden – und darin befanden sich sogar noch zwei Unterbrechungen. Einmal, weil die CDU mit ihren inzwischen ziemlich besten Freunden, FDP und Linke, noch einen Deal nachverhandeln musste. Und einmal, weil die Grünen den Überblick über die Tagesordnung und ihr Abstimmungsverhalten verloren hatten.
Die beiden zentralen Entscheidungen, die von der CDU forciert wurden, waren eine Vertagung der Wahl eines neuen BVV-Vorstands. Begründung: unsere nominierte Kandidatin für den Posten der stellvertretenden BVV-Vorsteherin hätte sich erst noch in ihrer Fraktion vorstellen müssen. Also wird der Vorstand erst am 19. April gewählt. Besonders bitter bei dieser Entscheidung: auch die Grünen stimmten für die Vertagung. Aus Gründen, die sich mir bislang immer noch nicht erschließen.
Zudem setzte sich die CDU mit Stimmen der AfD und FDP (bei Enthaltung der Linken) durch, dass alle Ausschüsse aufgelöst werden. Ohne jedoch, dass in der gleichen Sitzung neue Ausschüsse gebildet worden sind. Somit kann keinerlei Ausschussarbeit mehr stattfinden. Es ist unklar, ob überhaupt vor der Sommerpause die Ausschüsse neu gebildet werden. Alles, was an Drucksachen bereits auf Halde liegt oder neu hinzukommt, damit es in den Ausschüssen beraten werden kann, bleibt nun liegen. Immerhin hier stimmten die Grünen ebenfalls wie wir gegen eine Auflösung und Lahmlegung der Reinickendorfer Bezirkspolitik.
Damit lautet die bittere Bilanz der neuen Situation, wie sie sich in der ersten Sitzung zeigte:
Wer die gesamte 18. BVV schauen mag (rund 2 Stunden) klickt hier.
Die letzte BVV vor der Wiederholungswahl stellte einen Fakt noch einmal deutlich heraus: mit dieser CDU wird es schwierig, ein Vertrauensverhältnis für die politische Arbeit zu bilden. Das gilt sowohl für die Landesebene, als auch für die Reinickendorfer CDU. Auf Landesebene mag es in erster Linie Wahlkampfrhetorik gewesen sein, die viele Türen vor dem Wahltag zuschlug, welche nun wieder geöffnet werden müssen. Die Reinickendorfer CDU aber - jedenfalls unter Führung ihres aktuellen Fraktionsvorsitzenden - zeigte bei der 17. BVV, dass sie keine Absprachen einhalten kann und Angebote unterbreitet, die vergiftet sind.
Der konkrete Zusammenhang: eine Mündliche Anfrage der CDU gegen unseren Bürgermeister, die rein auf Krawall gebürstet ist, wurde zurückgezogen, um sie dann dem Fraktionsmitarbeiter der CDU aufzutragen, damit dieser sie in der Einwohnerfragestunde als Nachfrage einbringen kann. Und anschließend ist die CDU natürlich gemeinsam mit der AfD empört, wenn der damit offensichtliche Missbrauch eines Bürgerforums von uns angemahnt wird. Die CDU wähnte sofort einen Angriff auf das Format von Bürgerbeteiligung auf, die AfD schrie gar "Zensur". Damit hatte der Wahlkampf in Reinickendorf seinen traurigen Höhepunkt erreicht. Die Episode reihte sich aber zugleich in den gesamten Wahlkampf in Berlin ein.
Die CDU hat es in den vergangenen Monaten erfolgreich verstanden, die Dysfunktionalität der Berliner Verwaltung als Symptom eines failed state zu erklären bei gleichzeitiger Schuldzuweisung an den Rot-Rot-Grünen Senat. Wer Schuld hat, muss bestraft werden. Die Quittung kam am 12. Februar: Sowohl die SPD als auch die Grünen landeten bei 18 Prozent, die Linke bei 12 Prozent. Die CDU erreichte 28 Prozent und wurde damit stärkste Kraft. Noch ist unklar, ob die CDU ein König ohne Land bleibt, also keinen Koalitionspartner findet, weil R2G mit weiterhin vorhandener Mehrheit fortgesetzt wird. Oder: die CDU einigt sich mit der SPD. Oder: die CDU einigt sich mit den Grünen. Es gilt weiterhin der Wahlslogan der Grünen anno 2021: Alles ist drin.
Im Bezirk, also Reinickendorf, sind die Verluste für unsere Partei, aber auch für unsere Ampelpartner prozentual gesehen eher gering. In Sitzen ausgedrückt, bedeutet es jedoch für alle drei Fraktionen unserer Zählgemeinschaft einen Verlust von jeweils zwei Mandaten. Für die FDP heißt das, sie von vier auf zwei Fraktionäre schrumpfen und damit den Fraktionsstatus verlieren. Noch bitterer ist, dass damit die Mehrheit der Ampelkoalition in Reinickendorf weg ist. Statt 28 Stimmen haben wir nur noch 22 Stimmen. Aber am bittersten ist der Fakt, dass die CDU-Fraktion durch ihren Stimmenzuwachs satte 25 Stimmen hat. Selbst unter einer Einbindung der Linken (nun ebenfalls ohne Fraktionsstatus, mit nur noch 2 Sitzen) kämen wir nur auf 24 Stimmen und könnten nicht gegenhalten. Die AfD mit ihren sechs bzw. fünf Mandaten ist da in der Rechnung noch nicht einmal berücksichtigt.
Es wird jetzt in den Ausschüssen und in der Bezirksverordnetenversammlung rauer werden. Wichtig ist, dass wir erreichtes nicht einfach über Bord werfen und als Ampelparteien weiterhin zusammenstehen, damit wir nicht auseinandergetrieben werden können. Sonst hätte die CDU ein noch einfacheres Spiel.
Es ist Wahlkampf. Und die einfachste Art Wahlkampf zu machen, ist es dem Gegner vorzuhalten, er betreibe unzulässigen Wahlkampf. Da die CDU sich weiterhin für jede noch so billige Attacke nicht zu schade ist, sie zu reiten, erklärte ihr Fraktionsvorsitzender die Neujahrsansprache des Bezirksbürgermeisters Uwe Brockhausen kurzerhand zur Wahlkampfrede und beklagte sich dann ob des für ihn himmelschreienden Unrechts. Die Neujahrsansprache hielt Uwe am Silvesterabend im Rahmen des Reinickendorfer Turmblasens. Von der CDU-Fraktion war zwar niemand vor Ort, aber die besten Meinungen sind immer noch die ohne Ahnung. Kurzum - was die 16. BVV-Sitzung prägte, waren die Mündlichen Anfragen. Verbunden mit der Intention, die zuständige Person im Bezirksamt zu stellen. Das betraf wieder vor allem die Stadträtin der Grünen, Korinna Stephan, aber eben auch Uwe.
Selbst bei den offen gebliebenen Drucksachen kamen wir nicht besonders weit voran. Lag unter anderem auch an einer Großen Anfrage der AfD zum Thema Stromausfall/Blackout. Aufgrund meines beruflichen Hintergrunds konnte ich hier gegenhalten.
Zuvor hatte ich einen weiteren Redeauftritt als es um den Bau eines Südausgangs am S-Bahnhof Frohnaus ging. Da sind wir als Fraktion und auch als Zählgemeinschaft natürlich keineswegs dagegen. Nur sollte man es sinnvoller gestalten und begründen.
Es war die vorletzte BVV vor der Wiederholungswahl. Doch inzwischen wird nicht mehr ausgeschlossen, dass das Bundesverfassungsgericht doch noch die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts kippt. Alles offen, alles drin.
Wer die gesamte 16. BVV schauen mag (5 Stunden und 20 Minuten) klickt hier.
Die letzte BVV des Jahres bot noch einmal Gelegenheit für Positionierungen. Eine Mündliche Anfrage hatte ich noch fristgemäß wegen Bauarbeiten in Frohnau eingebracht. Der Stein des Anstoßes liegt hier an der Kreuzung Gollanczstraße und Kniggeweg. Obwohl hier zum zweiten Mal Bauarbeiten an selber Stelle in wenigen Jahren stattfinden, wurde wieder nicht der Bordstein abgesenkt, um eine leichtere Überquerung zu ermöglichen.
Eine weitere Positionierung, die von meiner Seite aus nicht geplant war, aber spontan notwendig war, war eine Replik auf die Märchenstunde des Fraktionsvorsitzenden der CDU. Storytelling und emotionale Ansprache sind ohne Frage schwer en vogue. Aber diese Vergangenheitsverklärung - unter der CDU wäre Reinickendorf ein Paradies gewesen, nun gehe mit der Ampel-Zählgemeinschaft alles den Bach runter - durfte nicht unwidersprochen stehen bleiben.
Zwei von mir eingebrachte Drucksachen konnten noch verabschiedet werden: Einmal die Umsetzung des Berliner Straßengesetzes, wonach feste Abstellflächen für E-Roller und Leih-Fahrräder einzurichten sind - Feste Plätze für E-Roller und Leihräder - Berliner Straßengesetz umsetzen.
In Frohnau sollen Maßnahmen gegen Unfallgefahr im Lesser-Park geschaffen werden. Hier geht es um den Weg zwischen den beiden Spielplatzbereichen im Lesser-Park, damit weder Kinder noch Fahrradfahrer zu Schaden kommen.
Jetzt ist noch eine Drucksache aus 2022 von mir offen: Gesundheit für alle - Reinickendorf ins Gesunde Städte-Netzwerk aufnehmen. Diese befindet sich noch in der Beratungsschleife im Ausschuss für Gesundheit und Gleichstellung.
Zum Nachschauen der kompletten BVV gibt es hier den Link (Dauer: 5 Stunden und 20 Minuten).
Damit endet das erste volle Jahr als Bezirksverordneter für mich. Zwar konnte ich einige Initiativen einbringen, fast alle haben ihre Beratungsschleifen beendet und sind mit positivem Votum verabschiedet worden. Bis zur Umsetzung kann aber noch sehr viel Zeit vergehen. Diese Zähigkeit der Prozesse spiegelt sich für mich auch in den BVV-Sitzungen wider. Wir kommen weiterhin nur schwerlich in der Abarbeitung der Drucksachen voran.
Hier geht es zuweilen in den Ausschüssen - je nach Thema und auch Besetzung - schneller voran. Vor allem der Ausschuss Eingaben und Beschwerden, wo es um Bürgeranliegen geht, hat rasch ein sehr fraktionsübergreifendes Format gefunden. Bei allen Vertretern ist zu spüren, dass ihnen das Wohl der Petenten am Herzen liegt. Auch im Wirtschaftsausschuss funktioniert die Zusammenarbeit mit den Oppositionsparteien gut. Die Vorabstimmung mit den Partnern der Ampelkoalition klappt sowieso reibungslos. Den Ausschuss für Stadtentwicklung dürfte ich als Schriftführer zumindest in der letzten Sitzung vor Weihnachten durchgespielt haben: Das Protokoll ging als E-Mail in der gleichen Minute an das BVV-Büro, in der die Sitzung zu Ende ging.
Politik funktioniert zuweilen wie Physik: für höhere Geschwindigkeit muss mehr Energie aufgebracht werden. Wir brauchen mehr Tempo, also mehr Energie. Und wir brauchen als SPD die klare Richtung nach vorn. Nach vorn, wenn es um politische Entscheidungen geht, die zukunftsweisend sein sollen. Nach vorn, wenn es darum geht, die Führung in Reinickendorf zu behaupten. Nach vorn, um nicht jeden Quatsch unwidersprochen stehenzulassen.
Wir kennen das Märchen von Dornröschen: Die uneingeladene 13. Fee drängelte sich vor die 12. Fee und sprach ihren Fluch aus. Zwar konnte danach die 12. Fee den Fluch nur mildern, jedoch nicht aufheben. Das Dama nahm seinen Lauf. Ähnlich wie bei Dornröschen fand nun die 13. BVV-Sitzung vor dem Nachholtermin der 12. statt. Und auch sie versetzte uns in einen gefühlten ewigen Schlaf, jedoch ohne wachküssenden Prinzen. Wer sich eine der zähesten Sitzungen der Reinickendorfer BVV-Geschichte anschauen will – und dieses Urteil kommt von den altgedienten Veteranen – klickt hier für fünf Stunden volles Programm.
Um immerhin Ergebnisse präsentieren zu können: zwei von mir eingebrachten Initiativen sind wie viele andere wichtigen Drucksachen unserer Zählgemeinschaft in der Konsensliste versenkt worden. Die Empfehlung an das Bezirksamt, sich beim zuständigen Betreiber um die kaputten Gaslaternen in Frohnau zu kümmern, kam als Vorlage zur Kenntnisnahme wieder zurück. Kurze Zusammenfassung: alte Technik, langwierige Reparatur – im wahrsten Sinne des Wortes wenig erhellend. Initiative Nummer zwei, ein Ersuchen, das Bezirksamt solle eine Instandsetzung des Poloplatzes in Frohnau prüfen, hat seine Tournee durch die Fachausschüsse nach vier Monaten abgeschlossen. Nun prüft das Bezirksamt kraft Beschluss. Da das dauern kann, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Bauarbeiten den Frohnau-Lauf im kommenden Frühjahr gefährden, äußerst gering. Aber damit ist es auch mehr Wunschdenken als Realismus, dass die Instandsetzung bis dahin abgeschlossen ist.
Die vierzehnte Sitzung, die eigentlich der Ersatz für die zwölfte Sitzung war, folgte nur wenige Tage später am
15. November. Doch erhielten wir am Sonntag des Volkstrauertags die Nachricht, dass ein Urgestein der BVV Reinickendorf überraschend verstorben war: Frank Marten von der CDU. Die Fraktionen verständigten sich aufgrund dieses Anlasses darauf, die Sitzung als Zeichen des Respekts und Anteilnahme nach den Mündlichen Anfragen zu beenden. Hier geht es zum Videostream.
Am Tag darauf folgte dann das Urteil des Berliner Verfassungsgerichts, das eine Wiederholung der Wahlen für das Berliner Abgeordnetenhaus und die Berliner Bezirksverordnetenversammlungen anordnete. Damit ist der bereits zu erwartende Richterspruch gefällt, der in seiner Konsequenz Wahlen innerhalb von 90 Tagen bedeutet. Nicht nur das neue Jahr beginnt demnach mit einem heißen Wahlkampf, wir starten jetzt in eine hochpolitische Adventszeit. Der 12. Februar steht bislang als Wahltag fest. Ob ein Rechtseinspruch den Lauf der Dinge noch stoppen kann, scheint auch hier eher Wunschdenken als Realismus zu sein.
Der Urteilsspruch wird Auswirkungen auf das politische Taktieren der Parteien haben. Denn die Anordnung einer Wahlwiederholung aufgrund der zu beanstandenden Rechtmäßigkeiten wirft unter anderem die Frage auf, inwiefern die bislang gefassten Beschlüsse rechtmäßig sind und wie nach der nun erfolgten Feststellung von Unrechtmäßigkeiten, die bis zur Wahlwiederholung folgenden Beschlüsse ebenso ihre Geltung beanspruchen können. Es ist naheliegend, dass vor allem die CDU sowie die AfD dieses Dilemma thematisieren werden. Bei der AfD steht zudem zu erwarten, dass sie das Narrativ der unrechtmäßigen Wahl und damit unrechtmäßiger Beschlüsse forciert, um klarzustellen: nur wenn sie bei der Wiederholung gewinnen (und der Trend spricht im Augenblick dafür), dann wäre dies Beleg für die Korrektheit der Wahl. Alles andere ist bis dahin falsch. Es ist eine gefährliche Gemengelage. Und bis Februar kann viel passieren,
Die persönliche Bitternis, dass mit der ungültig deklarierten Wahl auch all die Mühen und Strapazen des Wahlkampfs im letzten Jahr für hinfällig erklärt worden sind, muss heruntergeschluckt werden. Dafür ist keine Zeit.
Nanu? Die zwölfte BVV-Sitzung fiel aus? Nun ja, sie fand nicht am 12. Oktober wie geplant statt, sondern muss nachgeholt werden. Nur zwei Tage zuvor, am Vormittag des 10. Oktober, erhielten alle Fraktionen eine E-Mail aus dem BVV-Büro. Darin befand sich die knappe Mitteilung, der Ältestenrat am 10. Oktober, aber auch die BVV am 12. Oktober können aus „personellen Gründen“ nicht stattfinden.
Die Nachricht kam sicherlich für die meisten Fraktionen aus heiterem Himmel. Es gab in den Tagen zuvor keinerlei Warnung aus dem BVV-Büro, dass eine Durchführung kritisch sei. Stunden vor der Zuvor fand zwar ein Telefonat zwischen der Vorsteherin und Bezirksbürgermeister Uwe Brockhausen statt. Darin bot Uwe an, qualifiziertes Personal zur Unterstützung zu schicken. Doch das lehnte die Vorsteherin ab. Auch die Maßnahme, den Ältestenrat abzusagen, schlug alle Türen zu, noch eine Lösung zur Durchführung der BVV finden zu können. Zur Erinnerung: die CDU-Fraktion stellt die Bezirksverordnetenvorsteherin.
Kurzum: die CDU Reinickendorf hat bereits in den Wahlkampfmodus geschaltet. Ob es tatsächlich zu den erwartenden Nachwahlen kommt, ob diese Entscheidung bereits am 16. November verkündet wird, ob es zu Klagen dagegen kommt, ob diese wiederum erfolgreich sein werden oder auch ob die Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichts statt Wahlwiederholung Neuwahlen bedeuten – alles erst gewiss, wenn es verkündet wird.
Bei der CDU ist dagegen zu erkennen, wie groß der Druck ist, das im letzten Jahr verlorene Rathaus wiederzuholen. Schade, wenn man dabei die Menschen Reinickendorfs vergisst, die eine verlässliche Politik erwarten. Zudem sind die Avancen der CDU, sich an Die Grünen als unseren Zählgemeinschaftspartner für ein Bündnis nach der Wahl ranzukuscheln, subtil wie ein Stoppschild.
Aufgrund eines Firmentreffens konnte ich an der elften BVV-Sitzung nicht teilnehmen. Hintergrund war der bevorstehende Jobwechsel zur MACONIA GmbH. Nach zehn Jahren Betreuung des Schaltkreis wollte ich mich persönlich von meinen Kontakten der Mitgliedshäuser verabschieden. Der Termin für das Treffen fiel leider auf den BVV-Mittwoch im September 2022.
Zum Nachschauen der BVV gibt es hier den Link (Dauer: 5 Stunden und 20 Minuten).
Es ist weiterhin mühsam. Und es ist nur die gefühlte Chronisten-Pflicht, die Anlass gibt nun wenigstens über die beiden letzten Versammlungen in einer Zusammenfassung zu berichten. Denn die Prognose für die weiteren Sitzungen lautet: mehr vom Gleichen. Die AfD nutzt jede Gelegenheit für eigene Showtime:
Das alles frisst weiterhin Zeit und sorgt für Aufschub bei den eingebrachten Initiativen unserer Zählgemeinschaft und anderer Fraktionen. Immerhin prangerte dieses Mal auch eine Gegenrede aus den Reihen der CDU-Fraktion bei einer Großen Anfrage der AfD die Zeitverschwendung an.
Allerdings nutzt die CDU auch sehr billig die Einwohnerfragestunde aus, um sich als der zuverlässige Kümmerer zu präsentieren. Die kognitive Dissonanz ist dabei weiterhin beeindruckend. Denn viele der vorgebrachten Probleme rühren noch aus der Zeit als die CDU das Rathaus führte. Nun werden sie aber als Resultat der neuen Verhältnisse im Bezirksamt und in der BVV verkauft. Dazu kommen noch schwere Anfälle der Oppositionskrankheit: Sachen versprechen und fordern, die man selber nicht umsetzen kann.
Nachdem meine ersten eingebrachten Initiativen sehr schnell in der BVV beschlossen worden (bspw. der Aktionstag für ehrenamtliche Einsatz- und Rettungskräfte), liegen die aktuell noch offenen Drucksachen weit verstreut:
Wobei der Beschluss der beiden letzten Initiativen zunächst nur zur Überweisung an die beratenden Ausschüsse geführt hätte. Damit hätte die Beratungsschleife begonnen, in der die ersten drei Drucksachen immer noch kreisen. Üben wir uns also weiter in Geduld.
Die Livestreams der beiden Sitzungen sind hier verlinkt: 9. BVV-Sitzung & 10. BVV-Sitzung
Ach ja, bei der neunten Sitzung beginnt ab dieser Stelle meine zweite Rede als wirtschaftspolitischer Fraktionssprecher zu einer Großen Anfrage – war aber eher so Durchschnitt.
Und immer noch sind es alte Drucksachen der AfD, die auf der Tagesordnung abzuarbeiten sind und die in den Debatten dominieren. Wer sich die komplette fünfstündige Sitzung (wieder von 17 bbis 22 Uhr) anschauen möchte, klickt hier den Link.
Diese Situation kann den interessierten Bürgern im Live-Stream zu dem Eindruck bringen, es sei nur die AfD, die den BVV-Betrieb aufrechterhält. Alle anderen Parteien täten nichts, außer blockieren. Das ist natürlich nicht so. Es gab wieder eine sehr lange Tagesordnung, auf der sich zahlreiche andere Punkte befanden. Sehr viele konnten bereits zuvor im Ältestenrat abgestimmt werden und in eine Konsensliste zusammengefasst werden. Das ist meist dann einfach, wenn die Drucksachen an die dafür zuständigen Ausschüsse überwiesen werden können. Nur geschieht dies in einer einzelnen Abstimmung, ohne große Debatte, ohne Show. Und warum auch nicht, am Ende zählt ja bekanntlich das Ergebnis, seien wir also zufrieden.
So ist meine im März eingebrachte Empfehlung, Container zur Entsorgung von Altglas und Altpapier in Frohnau aufzustellen, an den Ausschusses für Grünflächen, Umwelt und Natur überwiesen worden. Dort wird er am
01. Juni beraten. Erhält er ein positives Votum, kommt er in die nächste BVV zur Abstimmung.
Gleiches gilt für das Ersuchen, das Bezirksamt möge ein Konzept für Parkflächen für E-Roller und Leih-Fahrräder erarbeiten. Hierbei handelt es sich um eine demnächst kommende Auflage des Berliner Straßengesetzes. Über diese Drucksache werden der Ausschuss Verkehr und Tiefbau sowie federführend der Ausschuss Stadtentwicklung beraten. Gut, dass ich da Mitglied bin.
Nach der skurillen Haushaltsdebatte in der sechsten BVV-Sitzung (siehe Blogeintrag zuvor), konnten wir uns wieder stärker auf die Abarbeitung der Drucksachen konzentrieren. Noch immer schleppen wir aber Altlasten mit uns herum. Und auch dieses Mal haben wir nicht die komplette Tagesordnung von 17 bis 22 Uhr durcharbeiten können. Wer sich die vierstündige Sitzung anschauen möchte, klickt hier den Link.
Immerhin schafften es meine ersten eingebrachten Anträge, genauer gesagt ein Ersuchen und eine Empfehlung, als Drucksache in die BVV - und sogar in die Konsensliste. Der Nachteil: dort gehen sie ziemlich sang- und klanglos über die Bühne. Der Vorteil: da sie unstrittig sind, muss nicht gezittert werden, sie könnten abgelehnt oder aber aus Zeitnot vertagt werden.
Bei dem Ersuchen ging es um einen Aktionstag für ehrenamtliche Einsatz- und Rettungskräfte. Das Format existierte bereits in Reinickendorf, ist aber wohl in den letzten Jahren eingeschlafen. Höchste Zeit, es wiederzubeleben. Nicht nur, dass den ehrenamtlichen Helfern und Rettern Dank und Anerkennung gebührt. Die Organisationen stehen wie so viele ehrenamtliche Vereine vor dem großen Problem der Nachwuchsgewinnung. Daher geht es an diesem Tag auch darum, einen besseren Draht zur Bevölkerung herzustellen und die Mitgliedergewinnung anzukurbeln. Wir haben zuletzt bei der Flut im Ahrtal gesehen, welches Engagement in der Bevölkerung vorhanden ist, wenn es gilt unkompliziert mitanzupacken und zu helfen. Ich bin mir sehr sicher, dass hier viel Pozential vorhanden ist, das zueinander finden kann.
Die Empfehlung lautete „Sicherheit im Dunkeln - Gaslaternen in Frohnau reparieren“. Kurz gesagt: der digitale Modus der Straßenlaternen in Frohnau - an, aus, an, an, aus, aus, an - ist nur solange lustig, bis sich jemand weh tut. Hier war es also höchste Zeit, Licht ins Dunkel zu bringen. Zwei weitere von mir eingebrachte Anliegen für Frohnau stehen als Drucksache für die BVV im Mai an - stay tuned.
Apropos ehrenamtliche Rettungskräfte: die Woche zuvor war ich bei der Grundsteinlegung für die neue Wache der Freiwilligen Feuerwehr in Frohnau. Dass es hier endlich den Startschuss gab, hat mich sehr gefreut. Mit der SPD-Abteilung Frohnau hatten wir die Kameradinnen und Kameraden im Jahre 2019 besucht und mit ihnen über den dringend benötigten Neubau gesprochen. Schon damals ging es bei dem Vorhaben nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wann. Nun nach drei Jahren soll es aber flott vorangehen, damit die Wache bereits nächstes Jahr fertig steht. Ich werde mit meinem großen Sohn jetzt häufiger zur Senheimer Straße radeln, um uns die Baufortschritte anzuschauen.
Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger bei der Grundsteinlegung.
Reinickendorf hat über 260.000 Einwohner. Der Einwohnerzahl nach ist der Bezirk damit größer als die Städte Aachen, Braunschweig, Kiel, Magdeburg, Mainz und Lübeck jeweils. Dessen sollten wir uns als Bezirksverordnete immer bewusst sein, um die Größe unserer Verantwortung einstufen zu können. Umso mehr, wenn es um die Verabschiedung des Haushalts geht, der die richtungsweisenden Weichen für die Zukunft Reinickendorfs stellt.
Hehre Worte. Doch dagegen dumpfe Taten kennzeichneten die sechste BVV-Sitzung. Dabei sehen die Spielregeln in der Kommunalpolitik für die Haushaltsdebatte traditionell so aus: Der Bürgermeister trägt den Haushaltsentwurf vor. Die Opposition darf nach Herzenslust kritisieren. Es folgt der rhetorische Schlagabtausch. Jeder Fraktion steht dabei laut Geschäftsordnung das üppige Zeitfenster von jeweils einer Stunde zur Verfügung. Bei sechs Fraktionen heißt das natürlich bis zu sechs Stunden Debatte, bis es überhaupt zur Abstimmung kommt.
Doch am Ende wird abgestimmt. Hier es ist nahezu seit dem Zweiten Weltkrieg nicht nur in der BVV Reinickendorf politische Tradition, dass trotz vorgebrachter Kritik alle Fraktionen dem Haushalt zustimmen oder sich zumindest enthalten. Denn das, was im Haushaltsentwurf steht und in der BVV vorgetragen wird, ist bereits im Haushaltsausschuss in mehreren Sitzungen zwischen den Fraktionen verhandelt und abgestimmt worden; inklusive allerlei Kröten, die jede Seite dabei zu schlucken hat.
Die SPD-Fraktion in Reinickendorf hatte 26 Jahre Gelegenheit gehabt, aus der Rolle der Opposition heraus die Haushaltsverhandlungen zu gestalten. Trotz aller Kritik an der Beschlussfassung und allen Unmuts über nicht erreichte Ziele – am Ende hatte die Fraktion immer dem Haushalt zugestimmt. Die CDU Reinickendorf bewegt sich nun auf neuem Terrain, das für sie ungewohnt ist: Sie muss aus der Opposition und damit aus der Minderheit heraus ihre Positionen durchsetzen können. Sie kann nicht mehr mit Kraft einer Mehrheit alle Positionen durchdrücken. Das schafft offenbar Frust. Und es löst Reflexe aus, nach jedem noch so billigen Strohhalm zu greifen, damit eine Mehrheit zustande kommt. Das Resultat: die CDU Reinickendorf arbeitet mit der AfD und der Linkspartei zusammen und hat damit versucht, den Haushaltsbeschluss zu kippen.
„Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.“
So hat es der 31. Parteitag der CDU Deutschlands am 8. Dezember 2018 beschlossen. Interessiert aber offenbar die CDU Reinickendorf nicht. Wir waren es bereits aus der letzten Legislaturperiode gewohnt, dass die CDU Reinickendorf sich als Regierungspartei der AfD für ihre Zwecke bedient. In der Opposition hat die politische Verwahrlosung der Fraktion damit ein neues Level erreicht.
Als einen Grund der Ablehnung gab die CDU Reinickendorf an, dass für zusätzliche Stellen im Bezirksamt noch mehr Gelder aus den Rücklagen genommen werden sollten – übrigens ein Widerspruch gegen das CDU-Dogma der Schwarzen Null. Es ist nur zu begrüßen, dass diese CDU-Fraktion nicht mehr Regierungsverantwortung hat. Denn wir alle sehen die sich aus der globalen Dimension ergebenden Herausforderungen, die auch vor Reinickendorf nicht haltmachen: Es sind die anhaltende Pandemie, zunehmende Extremwetterphänomene im Zuge des Klimawandels sowie die aktuelle Bewältigung der Flüchtlingssituation.
Auch das Thema Energieversorgung wird uns aufgrund des Konflikts mit Russland stärker beschäftigen. Und das beginnt beim Aspekt der Versorgungssicherheit aufgrund von Knappheit und endet bei Szenarien mit Cyberangriffen und Sabotage-Aktionen. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen lautet das Stichwort Resilienz. Und die sich daraus abzuleitende finanzpolitische Maßnahme ist die Bildung von Rücklagen. Wer diese Zusammenhänge ignoriert und daraus nicht die richtigen Handlungen in Gang setzt, sitzt wie der Frosch quakend im Teich, der nichts vom Meer weiß.
Am Ende reichten natürlich die Stimmen von CDU, AfD und Linkspartei nicht aus. Die BVV konnte mit den Stimmen der Ampelparteien den Haushaltsentwurf verabschieden. Das Kalkül, dass aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse (SPD, Grüne, FDP = 28 vs. CDU, AfD, Linkspartei = 27) zu fortgeschrittener Abendstunde eine Stimme bei den Ampelparteien fehlen würde, war eher Ausdruck der Verzweiflung als des taktischen Geschicks.
Immerhin gab es in einem besonderen Dringlichkeitspunkt Einstimmigkeit in der BVV: eine Resolution zur Verurteilung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Ich hatte dazu einen Entwurf in meine Fraktion eingebracht, der umgehend Zustimmung fand. Und ich bin sehr dankbar, dass ich mit Kolleginnen und Kollegen der Zählgemeinschaft eine gemeinsame Fassung erarbeiten konnte, die alle Fraktionen befürworteten.
Der Link zum Videostream der 6. BVV-Sitzung (Dauer: 5 Stunden und 46 Minuten)
Max Weber verdanken wir die Metapher der dicken Bretter, die es in der Politik zu bohren gilt. Sie haben weiterhin ihre Berechtigung, wenn es um Diskurse geht, in denen die Gesellschaft ihre Grenzen des Vorstellbaren, Machbaren und Zumutbaren abwägt, Wir tragen sie aber derzeit als Bretter vor den Köpfen, wenn es um die Abarbeitung von Anträgen und Anfragen geht.
Aus Gründen, die von allen Beteiligten als unglücklich empfunden werden, aber für die sich keiner wirklich selbst verantwortlich fühlt, sind alle übrig gebliebenen Drucksachen der letzten Legislaturperiode in die neue übernommen worden. Und da nach vier BVV-Sitzungen endlich das Bezirksamt komplett gewählt ist, können wir uns nun den Altlasten der vorigen BVV widmen. Wir stehen im Stau.
Es ist ein inzwischen gängiges wie müßiges Spiel, wie mit Anträgen und Anfragen Politik beschäftigt werden kann, ohne dass es zu einer Entscheidung oder gar Umsetzung kommt. Die AfD verfährt bereits seit langem mit dieser Taktik. Die CDU Reinickendorf steigt jetzt ebenfalls in diesen Modus Vivendi ein. Haben wir also erst einmal den Rückstau der letzten Legislaturperiode abgearbeitet, warten auf uns die nächsten Kolonnen. Was damit erreicht werden kann? Die vorgebliche Beweisführung, dass die neue Ampel-Zählgemeinschaft nichts zustande bringt. Das mag billig erscheinen. Aber billig geht in der Politik immer wie die Wegwerf-Kugelschreiber im Wahlkampf.
Immerhin konnte ich in der Sitzung meine erste BVV-Rede halten. Es ging um eine Anfrage der AfD zur Wirtschaftsförderung in der Pandemie, die noch aus 2021 übrig geblieben war. Hier der Link zur Aufzeichnung des Live-Streams.
Wieso tat sich unsere Zählgemeinschaft so schwer die CDU-Kandidatin Emine Deminbürken-Wegner zur Stadträtin und stellvertretenden Bürgermeisterin zu wählen? Wollten wir grundsätzlich die CDU aus dem Bezirksamt heraus halten? Nein, das Vorschlagsrecht wäre immer bei der CDU geblieben. Es wäre auch nicht ratsam gewesen, die Wahlen ewig hinauszuzögern. Ein mit einem Bezirksbürgermeister und nur zwei Stadträten besetztes Bezirksamt bedeutet, dass die Arbeit der anderen drei Stadtratsposten übernommen werden müsste. Ging es um Rachespielchen für die Episode von 2015 (siehe Blogeintrag zuvor)? Nein, dazu lagen die Ereignisse zulange zurück, waren den Neuzugängen in der Fraktion wie mir unbekannt und hatten aufgrund der Lage- und Lagerveränderungen über die Jahre an Relevanz verloren.
Es ging um einen Ausflug ins populistische Lager, den sich Emine Deminbürken-Wegner in ihrem Wahlkampf um den erneuten Einzug in das Abgeordnetenhaus leistete. Dieser soll hier weder in Wort noch Bild reproduziert werden. Schließlich ist inzwischen auch eine Entschuldigung der CDU-Politikerin erfolgt. Und damit konnte sie endlich in der vierten BVV-Sitzung zur stellvertretenden Bürgermeisterin und Stadträtin gewählt werden. Es wäre wie bei jedem Versöhnungsprozess eine große Dummheit als trampeliges Kamel immer wieder das Gras abzufressen, das über die Sache gewachsen ist.
Daher soll es nur um das Grundsätzliche gehen: Populismus ist kein politischer Stil. Für Demokratien ist er ähnlich dem Foul im Sport ein klarer Regelverstoß. Er verzerrt und täuscht: Wo Politik Brücken zur Bevölkerung bauen und pflegen sollte, hebt Populismus die Gräben zwischen "Elite" und "dem kleinen Mann" aus. Wo Politik vorhandene Gefühle in der Bevölkerung berücksichtigen sollte, will Populismus die für ihn günstige Stimmungen erzeugen und verstärken. Wo Politik pragmatisch sein sollte, ist Populismus opportunistisch. Wo Politik die Vision einer besseren Zukunft entwerfen sollte, predigt Populismus den Untergang. Populismus ist für die Politik Tolkiens Ring der Macht: anziehend wie verführerisch, treibt er ins Dunkle und knechtet am Ende alle. Wir sollten uns alle hüten, ihn als eine Gabe einzusetzen. Denn wer ihm zu lange verfällt, wird zum Gollum - ein von der Anziehungskraft der Macht Besessener, trügerisch und tückisch.
Generell erfreut sich die Methode "Ich mache meine Probleme zu deinen" einseitiger Beliebtheit in der Gesellschaft: auf der Absenderseite oft ohne Unrechtsbewusstsein eingesetzt oder mit vollster Überzeugung, die eigenen Absichten seien immer die besten, stellt sich auf der Adressatenseite spätestens dann Unbehagen ein, wenn die Vereinnahmung erkannt wird. Daher bin ich kein Freund dieser Masche. Ich helfe gerne, möchte aber immer noch selbst darüber entscheiden.
In der Politik ist wiederum eine spezielle Spielart dieser Problemverschiebung zu entdecken, die auch nicht leicht zu ertragen ist. Sie tritt dann auf, wenn es rhetorisch in den Bereich der Unterstellungen geht. Hier werden gerne dem Kontrahenten oder auch Dritten Ambitionen nachgesagt, bei denen oft leicht zu erkennen ist, dass der Absender nur zu gut weiß, wovon er spricht. Ein geflügeltes Wort dazu lautet, dass man einen Hinterhalt nur hinter dem Busch vermutet, hinter dem man selber schon mal saß. Henryk M. Broder formulierte es einmal derber mit "eine alte Puffmutter weiß immer am besten, wo die Unschuld begraben liegt."
Nun saßen wir also in der dritten BVV-Sitzung und die CDU war immer noch außer sich, dass es in der Sitzung zuvor für ihrer Stadtratskandidatin Emine Demirbüken-Wegner in zwei Wahlgängen keine Mehrheit gab. Oft wird Politikern ja nachgesagt, sie könnten reden, ohne etwas zu sagen. Doch gibt es die Momente, in denen die Emotionen schnell hochschlagen und dann Gesagtes mehr verrät als beabsichtigt war. Und so konnten wir sowohl in der zweiten als auch in der dritten Sitzung Zeuge werden, wo dem CDU-Fraktionsvorsitzenden der Schuh drückt. Und das nicht zu knapp. Denn immerhin sprach er von Traumatisierung.
Worauf er mit dem Wort in unsere Richtung zielte, war eine Episode, die sich vor rund sechs Jahren zugetragen hat. Hier war der SPD-Stadtrat Andreas Höhne verstorben. Die SPD-Fraktion hatte das Nominierungsrecht für die Nachfolge, Als die CDU mitbekam, dass nicht einmal im eigenen Lager die Stimmen stehen, ließ sie den Kandidaten durchfallen. Die Stelle blieb bis zur Wahl ein Jahr lang unbesetzt, so dass Uwe Brockhausen als weiterer Stadtrat den Bereich mit abdecken musste. Gut, das war keine schöne Geschichte, aber eben auch keine Glanztat der CDU. Weshalb es allein ein Schuss ins Knie war, ausgerechnet diese Ereignisse noch einmal in Erinnerung zu rufen. Außerdem hatte die Wahl 2021 doch die Position entscheidend geändert: Wir stellen jetzt den Bürgermeister und haben wieder einen zweiten Stadtrat. Welchen Anlass hätten wir also für Traumabewältigung? Wir brauchen nicht mehr bergauf anzugreifen, sondern können von oben aus verteidigen. Wir sind jetzt Obi-Wan am Ende von Episode III: "It's over Anakin! I have the high ground."
Nur tut sich die CDU Reinickendorf ähnlich wie Anakin schwer, die schlechtere Ausgangsposition zu erkennen und sich die eigene Selbstüberschätzung einzugestehen, bevor ihr die Beine weg gesäbelt werden. Sie ist zwar immer noch stärkste Kraft, aber nun in der Opposition und damit nicht mehr in der Lage eine Mehrheit hinter sich zu bringen. Sie muss für ihre Anliegen die ausreichenden Stimmen in den Fraktionen suchen und überzeugen. Und das nach langen 26 Jahren in denen es immer andersherum war. Ironischerweise ist diese Zeitspanne auch das aktuelle Alter des CDU-Fraktionsvorsitzenden. Demnach war dieser bislang sein ganzes Leben gewohnt, dass die CDU das Bezirksamt in Reinickendorf führt. Woraus schnell das Missverständnis entstehen kann, der Partei gehöre das ganze Rathaus so wie auch der Bezirk.
Da ist ein Weltbild zerbrochen, was durchaus zu ähnlichen Wahrnehmungszuständen von Phantomschmerz und Traumatisierung führen kann. Als gute Demokraten werden wir natürlich der CDU bei der Bewältigung ihrer kognitiven Dissonanz helfen, damit auch sie fähig werden, mit Niederlagen umzugehen. Und sei es nur als Zuhörer für Beschimpfungen. Irgendwo muss der ganze Frust ja mal raus.
Fukuyamas These vom "Ende der Geschichte" konnte ich nie etwas abgewinnen. Ich war nicht der Beste in Mathematik, aber ein Grundprinzip hatte ich verstanden: Die Zahlen sind unendlich. Wann immer man meint, die größte Zahl erreicht zu haben, kann immer ein +1 dazu angefügt werden. Und solange wir Menschen sind und irren, werden wir immer versuchen, es noch besser zu machen und damit ein +1 hinzusetzen. Daher war auch die heutige Sitzung kein Ende der Geschichte, aber immerhin ein Etappensieg: mit der Wahl von Uwe Brockhausen zum Bezirksbürgermeister ist eines der Hauptziele unseres Wahlkampfs erreicht worden. Auch dass wir mit Alexander Ewers wieder einen zweiten Stadtratsposten besetzen können, gehörte mit zu den Zielen meiner Wahlkampfleitung.
Nun muss aber schnell umgeschaltet werden - von Oppositionsmodus in Regierungsformat. Hier werden sich Friktionen nicht vermeiden lassen. Es brauchte mit 26 Jahren fast die Zeitspanne einer Generation, bis die SPD nach Irrungen durch die Wüsten der Opposition endlich wieder das gelobte Land der Regierungsverantwortung erreicht. Die biblische Geschichte im Orginal erzählt uns zudem, dass nicht alle, die einst von Ägypten aufbrachen das verheißene Land, in dem Milch und Honig fließen, betreten durften. Die Lehre des 40 Jahre andauernden Exodus durch die Wüste lautet daher, dass erst eine Generation unter Entbehrungen, aber in Freiheit heranwachsen musste, um für das gelobte Land bereit zu sein. Wir wollen hoffen, dass in der Fraktion die 26 Jahre ohne Regierungsverantwortung nicht einen gegenteiligen Effekt hatten und eine Generation geprägt haben, die nur noch Krawall-Opposition kann. Niemand möchte doch in der aktuellen Geschichte der Moses sein, für den es heißt "Bis hier vielen Dank, aber du bleibst jetzt bitte draußen...."
Meine Strategie-Skizze für die Wahlkampfkampagne 2021. Am Ende hätten wir uns kein besseres Wetter wünschen können. Dennoch reichte leider der Schub nicht, damit das Shuttle den "Bundestags-Orbit" erreichte.
Die erste Bezirksverordnetenversammlung findet pandemiebedingt nicht im BVV-Saal im Rathaus statt, sondern im Ernst-Reuter-Saal. Es ist die konstituierende Sitzung. Daher geht es noch nicht um kommunalpolitische Themen. Wir wählen auch noch nicht den Bezirksbürgermeister und die Stadträte. Heute geht es nur um den Vorstand der BVV, der zu wählen ist. Das wäre eigentlich eine schnelle Sache. Kerstin Köppen von der CDU hat sich als Kandidatin für den Posten der Bezirksverordnetenvorsteherin in den Fraktionen vorgestellt. Auch die anderen Nominierungen sind untereinander bekannt.
Doch die Wahl zu den einzelnen Posten (Vorsteherin, Stellvertreter, Schriftführerinnen und Schriftführer) erfolgt jeweils geheim. Und in jedem Wahlgang werden alle 55 Verordnete alphabetisch nacheinander aufgerufen. Anlass zur allgemeinen Erheiterung gibt es immerhin, wenn die Schriftführer einzelne Namen in bislang unbekannten Varianten aussprechen. Ansonsten sind die Wahlgänge ein weiteres Beispiel für die Rubrik "Wir verlorenen Kinder des 20. Jahrhunderts versuchen die Probleme des 21. Jahrhunderts mit den Mitteln des 19. Jahrhunderts zu lösen."
Sowohl der Handwerks-Lehrling als auch der Padawan brauchen für ihre Ausbildung einen Meister. Nun kann man Politikwissenschaft studieren, so wie ich. Das mag hilfreich sein, macht einen aber nicht zum Politiker. Um das Handwerk der Politik zu erlernen und die Spielzüge zu verstehen, empfiehlt es sich einen sogenannten Ziehvater zu haben. Interessanterweise hat sich der Begriff der Ziehmutter bislang kaum etabliert. Nur in Österreich wird er häufiger gebraucht, meint dann aber allgemein eine Pflegemutter.
Für viele politische Karrieren gilt das Credo der dunklen Sith-Lords - sie tauchen immer zu zweit auf. Man kann es natürlich auch ohne probieren, dann ist es meistens schwerer. In Fällen weit fortgeschrittener Karrieren kann es mitunter vorkommen, dass es wieder ein Solospiel geworden ist, weil es bereits zur Tragödie des Vatermords kam. Angela Merkel ist hier wohl das bekannteste Beispiel: das "Mädchen", das Helmut Kohl als CDU-Vorsitzenden stürzte, wodurch ihre Metamorphose zur "Schwarzen Witwe" begann.
Jedenfalls kann ich mich glücklich schätzen, meinen Ziehvater gefunden zu haben, der nicht nur über das Traditionsprinzip schwafelt, die "Alten" müssen irgendwann den "Jungen" Platz machen, damit es Neuentwicklung gibt, sondern tatsächlich danach handelt. Das ist in der Politik keine Selbstverständlichkeit - prominentestes Beispiel für: Queen Elizabeth II. und Charles, Prince of Wales. Daher danke, Gerald.
Nach der Wahl empfiehlt es sich nicht nur mit den Mitgliedern der eigenen Fraktionen, sondern auch mit denen der anderen Fraktionen vertraut zu machen. Ein Name, der vor der Konstituierung der neuen Gremien dabei öfters fällt, ist auch ohne Listenplatz immer bei der Kommunalpolitik dabei: Victor D´Hondt. Obwohl bereits 1901 verstorben, berufen sich vor allem die Altvorderen auf ihn, wenn es um die zustehenden Sitzplätze für die Fraktionen geht. Es heißt dann immer "Nach D´Hondt kriegen wir soviel, die anderen dagegen soviel." Als hätte er wie ein zweiter Nostradamus alle Wahlergebnisse bis ins 23. Jahrhundert vorhergesagt. Wie geht das?
Victor D´Hondt war belgischer Jurist und entwickelte 1878 das nach ihm benannte D´Hondt-Verfahren. Dabei handelt es sich um ein Divisorverfahren mit Abrundung oder um ein Höchstzahlverfahren. So könnte man es natürlich auch bezeichnen, wenn man denn bei seinem Gegenüber wenigstens etwas Erkenntnisgewinn erzielen möchte. Möchte man dagegen Expertenwissen demonstrieren und/oder Mathe-Defizite kaschieren, empfiehlt sich lieber die Berufungsformel "Nach D´Hondt..." Was dann meist bedeutet, dass man vorher einen getroffen hat, der es einem vorrechnen konnte.
Dabei ist es einfache Mathematik, die vor Erfindung des Taschenrechners sogar mit Stift und Zettel ausgerechnet wurde. Das können wir doch auch. Bzw. haben wir heutzutage sogar Computer. Wer sich hier ebenfalls kommunalpolitisch engagiert oder allgemein Interesse hat - ich sende gerne auf Anfrage meine eigens erstellte Excel-Vorlage zu, mit der man die Sitzverteilung und Stadtratsposten berechnen lassen kann. Das ist ein ernst gemeintes Angebot - schreibesmir@email.de.
Nur für den Fall, dass ich es selbst noch nicht erfahren hätte, informiert mich die Bezirkswahlleiterin, dass ich jetzt ein Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung bin. In einem Schreiben vom 7. Oktober. Fast zwei Wochen später. Doch nun darf keine weitere Zeit verloren werden! Vier Tage ist laut Schreiben die Frist. Bis dahin muss ich eine beigefügte Erklärung im Bezirkswahlamt abgeben. Ist natürlich klar, dass das Schreiben an einem Samstag zugeht. Damit fällt der Sonntag schon mal als Zustellungstag weg. Wir hatten das Wahlchaos am 26. September in Berlin und die Verzögerungen der Pin AG bei den Briefwahlunterlagen. Daher bin ich vorsichtig beim Thema Briefversand geworden. Ich fahre am Montag lieber persönlich vorbei.
Das Unregelmäßigkeiten vom Wahltag haben zudem ein längeres Nachspiel. Es ist nach zehn Monaten Wahlkampf eine große Enttäuschung, dass die gesamte Energie samt Blut, Schweiß und Tränen durch Schlafwagenzüge auf dem Verantwortungsverschiebebahnhof konterkariert wird - "Wanderer, kommst du aus Berlin, verkündige dorten, du habest uns hier liegen gesehen. Wie das Gesetz? Uns egal."
Der Tag nach dem Wahlabend begann mit nur drei Stunden Schlaf. Und dabei haben wir nicht mal ausgiebig gefeiert. Ein Pilsner war notgedrungen dabei nachdem das alkoholfreie Bier alle war. Die Wahlparty der SPD Reinickendorf im Maestral ging bis tief in die Nacht. Und weil es bis zum Schluss spannend blieb, war ein klarer Kopf nötig. Zwar zeichnete sich bereits am späten Abend ab, dass unser Bundestagskandidat Torsten Einstmann das Direktmandat nicht gewinnen würde. Aber es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen, und am Ende lag der Abstand zu seiner Konkurrentin Monika Grütters nur noch bei 1,4%. Früher ließ sich der Abstand zwischen SPD und CDU in Reinickendorf mit zweistelligen Werten angeben.
Bei den Landtagswahlen hatten wir dagegen drei freudige Überraschungen. Bettina König konnte in Reinickendorf Ost das Direktmandat gegen Burkhard Dregger holen. Endlich. Letzte Wahl lag sie hier knapp zurück. Für den unterlegenen Burkhard Dregger natürlich eine bittere Niederlage. Er war bis dahin Fraktionsvorsitzender der CDU im Abgeordnetenhaus und Oppositionsführer, konnte nun aber auch nicht über einen Listenplatz einziehen.
Das zweite Direktmandat hat dann in der Nacht Nerven, den benötigten Schlaf und fast eine F5-Taste am Laptop gekostet. Diese wurde am Ende fast im Sekundentakt gedrückt, um sofort jede Aktualisierung der Wahlergebnisse im Internet zu sehen. Hier ging es um den Wahlkreis Reinickendorf West. Es traten erneut zum Duell an: Emine Deminbürken-Wegener von der CDU und unser Kreisvorsitzender Jörg Stroedter. In den beiden Wahlen 2011 und 2016 ging die Runde jeweils an Emine Deminbürken-Wegner. Aber der Abstand war 2016 schon geschrumpft. Würde es dieses Mal reichen? Endlich kam gegen drei Uhr das Auszählungsergebnis des letzen Wahllokals und damit die Erlösung. Wir haben auch Reinickendorf West direkt geholt. Nach zwei Anläufen zuvor konnte sich Jörg nun in der dritten Runde durchsetzen. Wir mussten ihm mehrfach versichern, dass es keine weiteren ausstehende Zählungen mehr gibt: "Das ist das Ergebnis, du hast gewonnen."
Zwei Direktmandate - so etwas hatte es zuletzt vor 32 Jahren gegeben. Und damit nicht genug: mein zukünftiger Fraktionskollege Sascha Rudloff rechnete mir bereits am Abend vor, dass aufgrund der guten
Zweitstimmenergebnisse auch ein weiterer Listenplatz ziehen würde. Ich konnte zwar am Morgen telefonisch dem betreffenden Kandidaten Sven Meyer nicht mehr den mathematischen Lösungsweg in Gänze wiedergeben, aber zumindest überzeugend versichern, dass die Rechnung stimme. Er solle sich schon mal darauf einstellen, dass er drin ist. Leider konnte die Landeswahlleitung offenbar nicht so schnell wie Sascha rechnen. Sven erhielt erst in den nächsten Tagen die offizielle Bestätigung. Nummer 3 war drin.
Doch der größte Erfolg: wir haben gute Aussichten den Bezirksbürgermeister zu stellen. Zwar sind wir nicht die stärkste Kraft, aber unser Zuwachs und die Verluste der CDU plus bereits geführte Gespräche mit Grünen und FDP lassen eine Ampel am Horizont aufleuchten. Seit 1995 gab es keinen sozialdemokratischen Bezirksbürgermeister in Reinickendorf mehr. Uwe Brockhausen war der erste an dem Abend, der die Lage richtig erkannte. Auch für ihn zeichnete sich wie für Jörg endlich der verdiente Triumph nach jahrelanger Arbeit ab. Uwe wird endlich Bezirksbürgermeister.
Vor lauter Mitfiebern hätte ich fast mein persönliches Wahlergebnis vergessen: Mein Listenplatz 11 für die Bezirksverordnetenversammlung zog natürlich. Aber als ich mich in tiefer Nacht zu meiner Frau ins Bett legte, war ich in der Tat zufrieden über die insgesamt für uns erzielten Ergebnisse. Denn daran hatte ich in den zurückliegenden Monaten durchaus Anteil und einiges an Kraft und Zeit investiert - ich war der Wahlkampfleiter für die SPD Reinickendorf 2021.